Montag, 26. September 2011

Der Staatsbesuch eines Kinderschänderschützers

"Vox populi vox dei" - Manchmal ist die Stimme des Volkes eben doch noch die Stimme Gottes, eines sehr, sehr zornigen ....

Eine Fülle von hervorragenden Plakaten wurden bei den Anti-Papst-Demonstrationen herumgetragen (HPD). Im folgenden eine Auslese der besten:

Abb.1 : Joseph Ratzinger ist ein Kinderschänderschützer
Mit der Aussage von Abbildung 1 ist im Grunde alles zu diesem Papstbesuch gesagt, was zu ihm zu sagen ist und zu denen, die ihn ermöglicht haben und ihn begrüßt haben. Sie haben einen Kinderschänderschützer hofiert, statt ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Genauso wie sie bei einem Besuch von Wladimir Putin einen Völkermörder hofiert haben, statt ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Was ist von diesen korrupten Eliten noch zu erwarten? Höchstens daß sie noch korrupter werden, wenn ihnen das Volk all diese verbrecherischen Taten durchgehen läßt.

Abb. 2: Das Hofieren der Religion geht mir auf den Keks.
Nur nebenbei sei bemerkt, daß es unter den Plakaten auch viele Aussagen gab, die ohne Hochachtung über die Sexualität von Menschen sprechen oder implizit eine solche Hochachtung nicht genügend aufweisen. Sie haben wir deshalb in dieser Auswahl weggelassen. Aber auch sie fallen auf den Papst zurück, denn er vertritt ja im Kern die gleiche Haltung, die eine Hochachtung gegenüber der Sexualität des Menschen vermissen läßt. So über Sexualität zu sprechen wie auf vielen Plakaten, steht also innerlich noch auf Seiten des Papsttums und des sexualfeindlichen Christentums und hat sie innerlich deshalb eben noch nicht überwunden. Aber immerhin kann man auch das als einen ersten Schritt ansehen. Wir Deutschen wurzeln moralisch noch ziemlich tief in der Unmoral des Christentums. Es wühlt in uns. Und atheistische und hedonistische Moralvorstellungen überwinden diese Unmoral allzu oft nicht, sondern setzen sie nur in äußerlich anderer Form fort.

Abb. 3: Da müssen wir ran: Religion privatisieren jetzt!
Abbildung 3: eines der wenigen schönen Wahlplakate der Grünen! (- Ist es wirklich echt?)

Abb. 4: Ein kleiner Schritt für Dich - Ein großer Schritt für die Menschheit: Austreten!
Ich habe selbst kein Plakat mitgenommen zur Demo am Potsdamer Platz und bin auch nicht lange geblieben, weil mir die Stimmung dort zu träge und die Reden insgesamt zu Talkshow-mäßig moderiert vorkamen. Mein Plakatvorschlag war in der Randleiste des Blogs schon angegeben und kommt mir inhaltlich insgesamt doch noch ein bischen schärfer vor als die meisten hier gezeigten Plakate:
Kein Papst nirgends!
- Den Papst in Untersuchungshaft nehmen!
- Verbot der verbrecherischen Vereinigung, der Psychosekte genannt Jesuitenorden!
- Einziehung des Vermögens des Jesuitenordens, um Therapien zu bezahlen!
- Vollständige Trennung von Staat und Kirche!
- Ab sofort ist der Staat nicht mehr Steuereinnehmer der Kirche!
- Massenhafter Kirchenaustritt!
- Massenhafte Lossagung vom Priestergelübde!
- Gehet hin und folget Martin Luther, heiratet eine Nonne, bzw. einen Mönch und ziehet zehn Kinder auf.
- Kein Kirchenfreier (oder Moslem) soll noch eine christliche Partei wählen.
- Weg mit dem "C" aus dem Namen einer "Volkspartei" wie CDU und CSU!
Abb. 5: Ratzinger, du bist menschenverachtend - hau ab!

Abb. 6: Phantasma eines fortgesetzten Imperium Romanum ...
 
Abb. 7: Hau ab, böser alter Mann! - Schöner leben ohne Mittelalter!
 
Abb. 8: Sie nennen sich Christen und unter ihrem Schafspelz sind sie reißende Wölfe
Abbildung 8 trifft unserer Meinung unter anderem (!!!) besonders auf Herrn Winfried Kretschmann zu, der sich als liberaler Katholik gibt, den Papst aber nicht kritisiert im persönlichen Gespräch und nur mal eben das Verhalten von Ströbele, vor der Papstrede den Bundestag verlassen zu haben, als "unfaßbar" bezeichnet hat (Welt). Er ist ein Wolf unter dem Schafspelz, ohne Zweifel. Er ist papsttreu bis in die Knochen, weiß aber wie man sich als Papsttreuer heute positionieren muß, wenn man nicht hochkantig hinausfliegen will aus der öffentlichen Achtung.  Er agiert und argumentiert, wie man mit seinem Schafspelz als reißender Wolf und Papsttreuer heute agieren und argumentieren muß. Man gewinnt den Eindruck, daß er zu den bösartigsten Politikern gehört, die Deutschland heute hat.

Samstag, 24. September 2011

Eine unglaublich verräterische Äußerung der österreichischen Finanzministerin

Der Krieg kommt! - Die europäischen Eliten drohen erneut den von ihnen beherrschten Völkern


Schon vor mehr als einer Woche sprach der polnische Finanzminister Rostowski von einem künftigen Krieg in Europa. Der Journalist Udo Ulfkotte wies uns darauf hin, da uns politisch aufgeweckte Österreicher, die uns immer wieder wichtige Auskünfte zukommen lassen, bisher gar nicht auf die derzeitige empörte Debatte in ihrem Land hingewiesen haben. Ulfkotte nannte, noch ohne etwas von den österreichischen Debatten zu wissen, zum Beleg mehrere Publikationsorgane (Wiener Ztg.Finanznachr.Kopp-VerlagFrance24). Aus ihnen sei zunächst zitiert, um die dann noch wesentlich konkreteren Vorgänge in Österreich verstehen zu können:
Er (Rostowski) untermauerte seine Befürchtung mit der Ansicht eines Freundes und Vorstandsvorsitzenden einer großen polnischen Bank. Dabei gab er einen Teil der Unterhaltung vor dem EU-Parlament wider. "Er sagte, nach derartigen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen kommt es selten so, dass man zehn Jahre später noch eine Kriegskatastrophe verhindern kann. Ich denke ernst daran eine (US-)Greencard für meine Kinder zu erwerben".
Zugleich warnte er eindringlich vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone und mahnte die Abgeordneten eine Staatspleite Griechenlands mit allen Mitteln zu verhindern. "Heute dürfen wir keine Zweifel daran haben, dass Europa in Gefahr ist", so Rostowski.
Und:
"If the eurozone breaks up, the European Union will not be able to survive," he added.
Auch der BND und andere Geheimdienste, so Ulfkotte, hätten das Szenario eines europäischen Krieges schon ein oder zwei Jahre zuvor in Erwägung gezogen. Kriegsgerüchte - ein neues, verschärftes Druckmittel, um die Völker weiterhin in die Eurozone zu zwingen und sie für den Fall des Aufbrechens derselben tatsächlich gegebenenfalls in einen solchen zu stürzen?

Ein neues, verschärftes Druckmittel der Eliten, um die Völker weiterhin in die Eurozone zu zwingen?

Mit großer Überraschung stellen wir nun gerade bei eigenen Recherchen fest, daß die österreichische Finanzministerin Fekter der christ-katholischen ÖVP die Kriegsszenarien, die in den europäischen Eliten gegenwärtig scheinbar erwogen werden, wenige Tage später noch konkretisiert hat. Was für große Empörung in Österreich sorgte. Mit großem Recht. Angesprochen nämlich auf die eben behandelte Äußerung des polnischen Finanzministers sagte sie (Standard):
Auch ich habe mir schon große Sorgen im Hinblick auf die verstärkten Nationalismen, die wir haben, gemacht. Außerdem bauen wir gerade enorme Feindbilder in Europa gegen die Banken, die Reichen und die Vermögenden auf. So etwas hatten wir schon einmal, damals verbrämt gegen die Juden, aber damals waren ähnliche Gruppierungen gemeint. Es hat das zweimal in einem Krieg geendet.
Was für eine Äußerung! Was für eine Äußerung! - - - Es stockt einem der Atem. W-a-h-n-s-i-n-n. Was für Implikationen stecken in diesen wenigen Worten! Also der Antikapitalismus der Deutschen war es eigentlich, der die Welt schon 1914 in einen Krieg gestürzt. Er wurde nur durch Nationalismus und Rassismus verbrämt! Das ist die Aussage, die in diesen Sätzen steckt. Der Antikapitalismus der Deutschen war es eigentlich, der die Welt 1939 in einen Krieg gestürzt hat. Er wurde nur durch Nationalismus und Rassismus - - - verbrämt! S-e-e-e-e-e-e-h-r interessant. Sehr, sehr interessant. Man möchte eher meinen, daß das ein NS-Geschichtsbild ist, ein kommunistisches Geschichtsbild ist oder ein Infokrieger-Geschichtsbild, als jenes Geschichtsbild, das unserer (west-)europäischen Nachkriegsordnung seit vielen Jahrzehnten zugrunde liegt. Unser westeuropäisches Geschichtsverständnis hat bisher immer die Nationalismen für beide Kriege in den Vordergrund gestellt, nicht Ideologien wie den Antikapitalismus.

Als Ernst Nolte das tat, wurde er im berühmten "Historikerstreit" von 1986 scharf angegriffen, damit westeuropäische, stalinistische Geschichtsbilder nicht aus ihren tiefzementierten Sockeln gerissen würden.

Sehen so die vom obersten Benediktiner Österreichs geforderten Regierungen "mit starker Hand" aus, die sich gegen "Facebook-Demokratie" stellen sollen?

Was treibt diese Frau Fekter um? Man spürt förmlich, wie die europäischen Eliten zittern. Und was für ein Drohpotential sie gegenwärtig aufbauen, um sich vor - - - Entmachtung zu sichern!!! Und man fragt sich: War es etwa zehn Jahre vor 1914 genauso? War es zehn Jahre vor 1939/41 - - - genauso? Oh, diese Frage, die wir uns hier gerade stellen, werden wir so schnell nicht vergessen!

Die von den österreichischen Grünen und Sozialdemokraten an Frau Fekter gerichtete Forderung nach einer Entschuldigung kann an einer solchen Äußerung nichts mehr ändern. Solche "faux pas" rutschen den herrschenden Eliten in den letzten Jahren verdammt häufig heraus. Warum wohl? Weil sie halt so denken, diese Eliten. So möchte man einmal mutmaßen. Nicht wahr? Nicht so ganz fernliegend, diese Mutmaßung, nicht wahr?

Die Eliten fühlen sich von den Völkern gehaßt - mit Recht!

Und wie wir auf diesem Blog im letzten halben Jahr in vielen Beiträgen gezeigt haben, und wie das auch andernorts immer wieder gezeigt wird, denken sie so schon seit über hundert Jahren. Sie fühlen sich gehaßt. Und das mit allzu großem Recht. Und sie drohen den Völkern mit Krieg. Wieder einmal mit Krieg. Jenen Völkern, die sie, die Eliten, hassen.  Und der allzu billigste Vorwand, mit dem man die Völker Europas schon in zwei Weltkriege "hineinrutschen" ließ, ist auch schon gleich wieder genannt: "Nationalismus". "Rassismus". So billig glaubt ihr auch jetzt wieder davon zu kommen?

Freitag, 23. September 2011

Der Papst auf Seiten von Steven Pinker?

Der Mensch ist kein unbeschriebenes, weißes Blatt - - - sagt der Papst

Es mag nur wenigen aufgefallen sein: Aber in seiner Rede vor dem deutschen Bundestag (Domradio: pdf.) erkennt der Papst die Bedeutung unseres heutigen ("positivistischen") Naturverständnisses voll und ganz an. Vielleicht noch niemals so ausdrücklich und an so prominenter Stelle wie hier. Er sieht in ihm aber ein "Zimmer mit geschlossenen Fenstern"!!! :-) Also zum Ersticken!!! Die ökologische Bewegung, in der die katholische Lobby inzwischen stark an Boden gewonnen hat (- deshalb auch das durch und durch berechtigte Gelächter der Abgeordneten an dieser Stelle seiner heuchlerischen Rede), hätte wenigstens die Sehnsucht geäußert, diese Fenster zu öffnen. (- Mehr nicht! Womit er wiederum recht hat! Und daß in ihr nicht mehr geschehen ist, daran hat er, der die Deutschen laut "Spiegel" "vom Glauben abfallen läßt", Jahrzehnte lang kräftig mitgearbeitet!) Aber der "Sünder" Papst Ratzinger kann ja jederzeit umkehren. Und deshalb sagt er jetzt:
Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.
Das sind gute und schöne Worte. Ist das endlich der lange erhoffte Beitrag des Papstes zur Sarrazin-Debatte? ;-) Ruft er endlich seine christ-katholischen Schafe unter den Abgeordneten in die Schranken, was ihr Handeln gegenüber Thilo Sarrazin betrifft? Und erkennt er an, daß der aus der Kirche ausgetretene Thilo Sarrazin etwas Wesentliches zur Natur des Menschen gesagt hat? Wir wollen es hoffen. An Leute wie Steven Pinker wird er bei dem eben gebrachten Zitat auf jeden Fall gedacht haben.

"Positivistisches Naturverständnis" und "Ökologie des Menschen"

Da bleibt natürlich auch an diesen Sätzen noch viel auszulegen. Es wird aber erkennbar, daß dem Papst das Kernanliegen dieses Blogs - die Naturalisierung des Menschenbildes durch die Evolutionäre Anthropologie - ebenfalls ein Kernanliegen ist. Er will dieses Thema breiter diskutiert wissen - so wie wir. Und der Papst stellt dann sogar - so wie wir schon lange - den bislang weithin so streng postulierten Dualismus zwischen Sein und Sollen infrage. Er sagt:
Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren – 1965 – den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. Er hatte gesagt, daß Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist. „Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos“, bemerkt er dazu. Wirklich? – möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?
Bei dem letzten Satz kann man eigentlich mitgehen, solange hier keine übernatürlichen Kräfte vorausgesetzt werden wie in den Sätzen zuvor, wo von einem Schöpfergott die Rede ist. Es entsprechen solche Anliegen  schon den Anliegen der Predigten des Wiener Kardinals Christoph Schönborn vor einigen Jahren über Evolution und Schöpfung. Aber wie Schönborn schlingert er ständig hin und her zwischen naturalistischem (postivistischem) Menschenbild und Supernaturalismus und dem typisch katholischen Denken.

Papst zitiert "Vernichtung der Feinde" aus der Bibel (im Bundestag!) und das Verbrennen von abgedorrten Rebensträuchern (im Olympiastadion) - alles außerordentlich zeitgemäß und seinem Denken entsprechend!

Etwa wenn er die Wurzeln der abendländischen Kultur nur in Jerusalem, Athen und Rom sieht. Das ist lächerlich und völlig überholt. Schließlich wissen wir inzwischen - zum Beispiel - von einer mehrtausendjährigen bronzezeitliche Religionsgeschichte in Europa zu einer Zeit, als es jene geistigen Phänomene, die der Papst mit Rom, Jerusalem und Athen anspricht, noch gar nicht gab und in der die abendländische Kultur ebenfalls wurzelt, also sich so wie mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft auch - etwa - mit den Erkenntnissen der Archäologie und in Anknüpfung an diese weiterentwickelt.

Klobürstenschwingender Vatikantreuer gestern am Potsdamer Platz bei der Anti-Papst-Demonstration
Wir wollen den Papst also ab diesem Punkt wieder seinem lächerlichen Schicksal überlassen und jener christ-katholischen Lobby, die seinen Worten zumeist bloß noch aus Gründen eigener politischer Machterhaltung, ethischer Gedankenlosigkeit, Hilflosigkeit und daraus geborenem ethischen Versagen zuhört. Also um Phänomenen willen, über die der Papst, selbst ein "Sünder" (wie er mit seinem ekelhaften Lächeln im Olympiastadion sagt), natürlich gern hinweg sieht. Und dabei dann auf die zu verbrennenden, nicht fruchtbaren Strauchteile am Rebenstrauches des Herren verweist, also auf uns Ungläubige. Nicht die Sünde ist das Entscheidende, sondern der Glaube. Geh, schleich dich, Papst.

Ist Uta Ranke-Heinemann noch Christin?

Gestern auf dem Potsdamer Platz wies übrigens die frühere Katholische Theologin Uta Ranke-Heinemann darauf hin, daß auch das Neue Testament homosexuellen-feindlich ist im Gegensatz zu dem von ihr als vorbildlich hervorgehobenen Sokrates. Das habe man unter deutschen Theologen nur noch nicht verstanden, da sämtliche Bibelübersetzungen auch hier wieder einmal völlig falsch seien. - Man fragt sich: Sagt sie das noch als Christin?

Mittwoch, 21. September 2011

Überkommene soziologische "Erzählungen"

Die moderne Soziologie und stalinistische Verhärtungen in ihr 

Es gibt immer noch Soziologen (1), die bei ihrer Theoriebildung die Tatsache, daß sich Völker und Ethnien auch biologisch auf der physischen und psychischen Ebene unterscheiden (2), völlig außer acht lassen. Man lese dazu einmal die folgende Zusammenfassung eines neuen Aufsatzes eines Wolf-Dietrich Bukow, Soziologieprofessor in Köln, in einem Band über "Georg Simmel und die aktuelle Stadtforschung" (1):
 "Was heißt hier ethnische Gemeinschaftsbildung?"
Bis heute geht man davon aus, dass das urbane Zusammenleben letztlich über einen gemeinschaftlich geteilten Wertekosmos gestiftet wird. Dieser vor allem im Nationalstaat des 19. Jahrhunderts entwickelten Vorstellung ist man jedoch bald entgegengetreten. Insbesondere Georg Simmel macht schon früh klar, dass die moderne Stadtgesellschaft nicht mehr auf überkommene Überzeugungen und einen gemeinsamen Glauben zurückgreifen kann, sondern sich ihren Zusammenhalt durch formale Strukturen wie die politische Steuerung oder das Recht organisieren muss. Die urbane Gesellschaft hat einerseits die gemeinschaftlichen Bindungen konsequent in die Lebenswelt (Familie, Wir-Gruppe und Milieu) ausgelagert und anderseits ihre Organisation weiter ausdifferenziert und auf Verständigung abgestellt. Neue Formen der Mobilität, neue Medien und Kommunikationsformen verstärken diesen Trend weiter. Wer angesichts dieser Entwicklung von Leitkulturen, ethnischen Gemeinschaften und Parallelgesellschaften spricht, kehrt damit nicht nur zu einem vordemokratischen familistischnationalistisch geprägten Weltbild zurück, sondern bereitet damit auch denjenigen den Boden, die zur Sicherung ihrer Privilegien und Machtansprüche an den überkommenen nationalen Erzählungen festhalten. 
Wenn hier von "überkommenen nationalen Erzählungen" gesprochen wird, wird unterstellt, Völker und Ethnien würden sich "nur" über kulturelle Merkmale (sprich "Erzählungen") definieren. (Wobei, nebenbei bemerkt, sogar schon Jahrhunderte lange gemeinsame geschichtliche Schicksale, die ja nicht nur "Erzählung", sondern "Tatsachen" sind, in typischer Weise abgewertet werden. Und wer weiß, welche Fehlgriffe sonst noch festgestellt werden könnten, wenn man einmal genauer dieses soziologische Weltbild-Basteln analysieren würde ...)

Aber der wesentliche Einwand ist: Soweit man den Aufsatz selbst übersieht, handelt es sich bei ihm über 30 Seiten hinweg um allein soziologische, sprich geisteswissenschaftliche Erörterungen. Also um eine "überkommene soziologische Erzählung". Damit soll noch gar nichts darüber gesagt sein, welche Schlußfolgerungen man zieht, wenn man die unterschiedlichen Häufigkeitsverteilungen von genetischen Merkmalen auf Bevölkerungen berücksichtigt. Aber daß sie berücksichtig werden müssen, ist beim heutigen Stand der Forschung unvermeidlich (2). Es sei denn, man ist ein bigotter Stalinist, was die Aufrechterhaltung von Wissenschaftsgräben betrifft.

In den letzten 200.000 Jahren hat die Humanevolution und -geschichte in Völkern und ethnischen Gemeinschaften stattgefunden. Und sie hat damit immense Erfolge verzeichnen können und zehrt derzeit von diesen Erfolgen immer noch. Wenn man von diesem Prinzip künftig abgehen will, muß man gute Gründe dafür vorbringen und liegt die Beweislast bei jenen, die das tun wollen. Man muß zumindest einigermaßen plausibel nachweisen, daß mit einem Abgehen von diesem Prinzip der weitere Weg der Humanevolution ebenso fortschrittlich verlaufen wird wie die letzten 200.000 Jahre. Solange das Soziologen nicht nachweisen können, sollten sie nicht so großspurig weiter an Ideologien bastelnd ihre "überkommenen Erzählungen" erzählen, sondern sich lieber einmal mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand von heute (2) vertraut machen.

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1. Bukow, Wolf-Dietrich: Was heißt hier ethnische Gemeinschaftsbildung? Zur nachhaltigen Marginalisierung gemeinschaftsorientierter Bindungen. In: Georg Simmel und die aktuelle Stadtforschung. Springer 2012, Part 5, S. 213-242, DOI: 10.1007/978-3-531-93132-6_12 (Zusammenfassung; pdf.)
2. Bolhuis JJ, Brown GR, Richardson RC, Laland KN, 2011 Darwin in Mind: New Opportunities for Evolutionary Psychology. PLoS Biol 9(7): e1001109. doi:10.1371/journal.pbio.1001109

Montag, 19. September 2011

Hermann Hesse, Ernst Jünger und Kollegen - Mitglieder freimaurerähnlicher Gesellschaften? (II)

Kurz gefaßt: Eine wenig beachtete Schrift aus dem Jahr 1951 (1) wirft Fragen auf: Ist es ein wesentlicher Zug der Literatur von Hermann Hesse, Ernst Jünger und ihrer Kollegen, unter "Mißachtung des Lesers", der "nicht mehr in Betracht" kommt, "Unterhaltungen für Eingeweihte" "über die Köpfe des Publikums hinweg" zu führen "für sehr vereinzelte Angehörige einer imaginären Geheimen Gesellschaft (die in diesen Büchern thematisch stets wieder auftaucht)"? Sind die Autoren dieser Kategorie "mit einer Sekte, einer kühnen Loge im Bunde", "einer 'Gesellschaft vom Turm', welche die eigentlichen Machtkämpfe der Zeit auf abgedunkeltem Felde austrägt"? Nachdem bekannt geworden ist, daß auch ein Marcel Reich-Ranicki für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet hat, und in welchem Umfang das Ministerium für Staatssicherheit der DDR auf die Literaturszene der DDR und Westdeutschlands Einfluß genommen hat, nachdem bekannt ist, wie sehr sich sogar der in Großbritannien lebende Schriftsteller George Orwell vom "Großen Bruder" gemaßregelt fühlte, sollte durchaus auch allgemeiner gefragt werden: In welchem Verhältnis standen und stehen Schriftsteller wie Hermann Hesse oder Ernst Jünger zu "Bünden", zur Freimaurerei, zu Männerorden, Okkultlogen, "Wahrheitsministerien", Staatssicherheitsdiensten, Verfassungs"schutz"ämter? Und wie spiegeln sich diese Verhältnisse in ihren Werken wieder? Stellen auch ihre Werke "Pülverchen bereit, durch die man Völker entnerven kann" (Ernst Jünger)? - Einige erste Recherchen und Überlegungen zur Thematik.

/Dies ist Teil 2, hier gehts zu Teil 1./

Schon die Erzählung "Die Morgenlandfahrt" von Hermann Hesse enthält alle Merkmale eines Freimaurerromans. Hier nur ein beispielhafter Auszug dafür, wobei die Romanfigur des Dieners und Logenoberhauptes "Leo" - wie wir heute durch die Veröffentlichungen von Hermann Müller wissen -, den tatsächlichen "Guru" Hermann Hesses, Gusto Gräser verkörpert (5, S. 90f; Hervorhebung nicht im Original):
... Bis zum Throne hin füllte sich das feierliche Synedrion. Gusto Gräser (Leo) sah mich an, mit einem Blick der Mahnung zu Geduld, zu Schweigen und Ehrfurcht, und verschwand zwischen den vielen. (...)
Endlich war es still geworden, und es trat der Sprecher vor. Allein und klein stand ich dem Hohen Stuhle gegenüber, auf alles gefaßt, voll tiefer Angst, aber ebenso voll tiefen Einverständnisses mit dem, was hier geschehen und beschlossen werden würde.
Hell und ruhig klang die Stimme des Sprechers durch den Saal. »Selbstanklage eines entlaufenen Bundesbruders«, hörte ich ihn ankündigen. Mir zitterten die Knie. Es ging mir ans Leben. Aber es war gut so, es mußte nun alles in Ordnung kommen. Der Sprecher fuhr fort.
»Sie heißen H. H.? (...) Sind geständig, eine Geschichte der Morgenlandfahrt schreiben zu wollen? Halten sich darin für gehindert durch Ihr Gelübde des Schweigens über Bundesgeheimnisse?« ...
Und im "ausgedehnten" Logenhaus findet sich ein "riesiges Archiv". Wie konnte Hermann Hesse schon 1932 ein solches Archiv so gut beschreiben, obwohl doch erst 1989 erstmals ein solches Archiv der Öffentlichkeit detaillierter bekannt werden sollte - nämlich das Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR? Und wie konnte er so ganz und gar ohne Abscheu darüber schreiben? 1932? (5, S. 89):
... viele Hunderte von Metern, Schranktüren, Bücherrücken und Aktenbündel starrten: ein riesiges Archiv, eine gewaltige Kanzlei. Niemand kümmerte sich um uns, alles war lautlos beschäftigt; mir kam es vor, als werde von hier aus die ganze Welt samt dem Sternhimmel regiert oder doch registriert und bewacht. Lange standen wir und warteten, um uns her eilten lautlos, mit Katalogzetteln und Nummern in den Händen, viele Archiv- und Bibliotheksbeamte, Leitern wurden angelegt und bestiegen, Aufzüge und kleine Rollwagen bewegten sich zart und leise. ...
Was der DDR-Regimekritiker Jürgen Fuchs in seinem Tatsachen-"Roman" "Magdalena" schildert, hat Hermann Hesse in seinem Roman "Die Morgenlandfahrt" schon viele Jahrzehnte vorher vorweggenommen (5, S. 96):
... Im Kataloge blätternd, schauerte ich vor der Fülle dessen, was hier auf mich wartete. Ich stieß auf manches vertraute Wort, auf manchen wohlbekannten Namen. Ich stieß, zusammenzuckend, auch auf meinen eigenen Namen, aber ich wagte es nicht, über ihn das Archiv zu befragen - wer würde es ertragen, den Spruch eines allwissenden Gerichtshofes über sich selbst zu vernehmen? ...
Eine Kritik an solchen hier dargestellten Allmachtgelüsten von Geheimdiensten und Logen wie sie etwa bei George Orwell's "1984" allzu deutlich spürbar wird, und wie sie heute unter aufgeklärten Intellektuellen eigentlich selbstverständlich sein sollte, hört man bei Hermann Hesse - wohlgemerkt: im Jahr 1932!!! - an keiner Stelle hindurch. Hört man sie irgendwo bei Ernst Jünger hindurch? Und noch im Jahr 1959 sollte Hermann Hesse eine solche Graue Eminenz des Dritten Reiches loben wie - - - Ernst Jünger.

Hermann Hesse über Ernst Jünger (1959)

Es ist sehr aufschlußreich, was Hermann Hesse 1959 über Ernst Jüngers "An der Zeitmauer" schreibt (6). Es ist immer wieder derselbe, sich sowohl durch Jüngers wie durch Hesses Leben und Schaffen hindurchziehende Topos von der etwas wehmütig aber letztlich doch zugleich ergeben hingenommenen Vision vom "Untergang des Abendlandes", wie sie Oswald Spengler 1919 ausgegeben hatte.

Und muß es einem da nicht so vorkommen, als ob das eine Parole gewesen ist, die damals besonders gern in informellen und formellen "Bünden" - am Mont Verita und anderswo - in Männerorden und Okkultlogen,  in Staatssicherheitsdiensten und ihren Archiven, in "Wahrheitsministerien" herumgereicht worden ist - quasi als eine Modeströmung, als eines von den vielen "Pülverchen", von denen Ernst Jünger sprach (siehe oben) "mit denen man Völker entnerven" kann? Und auf die diese "Bünde", Männerorden, Okkultlogen, "Wahrheitsministerien", Staatssicherheitsdienste, Verfassungs"schutz"ämter gerne auch einmal bewußter, einmal weniger bewußt hingearbeitet haben und hinarbeiten? Wir haben dazu schon manches in den Beiträgen unseres Blogs im letzten halben Jahr herausgearbeitet. Man kann dies auch eine "sich selbst erfüllende Prophezeiung" nennen. Nämlich dann, wenn die Gebildeten und Literaturnobelpreisträger einer Gesellschaft in ihrer Mehrheit an solch eine Prophezeiung willig glauben und sie für weitgehend unabänderbar halten und darum auch der Gesellschaft solche Haltungen einflößen.Wenn nirgendwo Kritik geübt wird an jenen elitären Kreisen, die solche und andere Parolen ausgeben.

Ideologien und Literaturen - "um Völker zu entnerven"?

Hermann Hesse läßt in dem genannten Text (6) - unter anderem! - eine willige Hinnahme der Tatsache durch Ernst Jünger deutlich werden, daß es bis 1959 zu einem Anwachsen des Glaubens an die Astrologie gekommen sei, und ebenfalls, daß sich sowohl er selbst wie Ernst Jünger diesem "Symptom" gar nicht einmal in schärfster Weise ablehenend gegenüber stellen, sondern quasi sogar damit sympathisieren. Zumindest, soweit man dies als ein Mensch kann, der selbst von sich das Bild bestehen lassen möchte, daß er - natürlich! - gar nicht an Astrologie glaubt und der "darüber" stehen würde.

Würde man weiter recherchieren, würde man sicherlich noch auf viele solcher Merkwürdigkeiten stoßen. Aber an dieser Stelle soll zum Schluß nur noch Gusto Gräser detaillierter behandelt werden. Auf Wikipedia heißt es über diesen  merkwürdigen "barfüßigen Propheten", den "Inflationsheiligen" Gusto Gräser (1879 - 1958):
Einer größeren Öffentlichkeit wurde Gusto Gräser nach 1968 als der Guru Hermann Hesses bekannt.
Was ist in dieser kurzen Bemerkung alles an Implikationen enthalten (7)? Hermann Hesse lebte von 1877 bis 1962 (Wiki). Das bedeutungsvolle Verhältnis zwischen Gusto Gräser und Hermann Hesse ist also der größeren Öffentlichkeit erst nach dem Tod beider bekannt geworden. Und es ist bis heute nicht wirklich in das kulturelle Weltbewußtsein übergegangen. Im Wikipedia-Artikel ist es zwar mehrmals erwähnt, aber es wird nicht als so entscheidend herausgestellt, als daß es doch offenbar angesehen werden muß. Und der Suhrkamp-Verlag findet die Erforschung dieses Verhältnisses durch den Nachlaßverwalter von Gusto Gräser, nämlich durch Hermann Müller, nicht gerade besonders begeisternd (8):
Mit seinen Recherchen zum Einfluss von Gräser auf Hesse und sein Werk hat sich Müller beim Suhrkamp-Verlag – dem Hausverlag Hesses – „unbeliebt“ gemacht. Als ob Müllers „Enthüllungen“ dem Autor des Steppenwolf noch das Wasser abgraben könnten!
Der "Guru" Hermann Hesses

Aber warum eigentlich? Warum "unbeliebt"? Vielleicht weil diese Forschungen das Bild von Hermann Hesse und seinen Werken drastisch ändert? Weil alle Leser durch sie einen völlig neuen Blick auf das Gesamtwerk von Hermann Hesse erhalten, wenn sie erfahren, wie sehr dies bestimmt ist von dem Einfluß eines einzigen Menschen, von einem Einfluß zudem, der zwar nichts weniger als die Hauptinhalte fast aller Hauptwerke Hermann Hesses ganz entscheidend bestimmt hat, der also dem um ihn Wissenden ständig spürbar ist, über den Hermann Hesse aber selbst merkwürdigerweise gegenüber dem Publikum seiner Zeit niemals klar gesprochen hat. Und den sein Hausverlag offenbar noch heute nicht allzu gerne erforscht sieht. Und der auf Wikipedia nicht wirklich ausreichend herausgestellt wird.

Wie passen solche Umstände eigentlich zu der sonstigen Art von Hermann Hesse? Oder passen sie nur zu der Art, wie Hermann Hesse von der Öffentlichkeit hatte wahrgenommen werden wollen? Oder wie Gusto Gräser sich und Hermann Hesse von der Öffentlichkeit ihrer Zeit hatte wahrgenommen wissen wollen? Und zwar unter allzu klarster "Mißachtung des Lesers", wie es schon 1949 so deutlich im Aachener "Euro-Kurier" hieß (siehe oben)?

"Ein einziges Thema zieht sich durch alle wesentlichen Werke Hermann Hesses"

Gusto Gräser - in jüngeren Jahren
Doch hören wir zunächst eine Art Zusammenfassung der Erkenntnisse des Gusto Gräser-Forschers Hermann Müller über Hermann Hesse (8):
Fast alle seine Werke handeln von einer Freundschaft. Und zwar von der Freundschaft zu einem Einsiedler und Wan­derer, einem Heiligen und Weisen. Immer ist da ein überlegener Freund und Meister, zu dem ein Schüler oder Jünger verehrend aufblickt. Es ist ein einziges Thema, das sich durch alle seine wesentlichen Werke zieht. Hinter allen seinen Erzählungen steht eine Urlegende: die von einer Schülerschaft oder Jüngerschaft, von den Irrun­gen und Verwirrungen dieser Freundschaft, von Zweifeln und Ängsten, von Abfall und Verrat, von Flucht und selbst von Mordgedanken, und dann auch von Reue, Heimweh und Rückkehr, von Hingabe, Dienst und Verschmelzung. (...)
Hesse hat einen Menschen gekannt, den die meisten für einen Narren hielten. Er aber hat in ihm einen Heiligen erkannt, einen Seher und Weisen. Zu diesem Menschen zu stehen, sein Bild und seine Einsichten der Menschheit zu vermitteln, erkannte er als seine Aufgabe. Er hat sich gegen diese Aufgabe gewehrt, er hat sich ihr durch Flucht zu entziehen versucht, Zweifel und Ängste haben ihn immer wieder an den Rand des Selbstmords getrieben, aber letzten Endes ist er seiner Berufung treu geblieben. (...)
Hesses Weg mit Gräser war ein extremes Hin und Her zwischen Hingabe und Flucht. 1907 folgt er seinem Freund in dessen Felshöhle „Pa­gangrott“ hoch über dem Maggiatal im Tessin. Er fastet, meditiert, läuft nackt durch die Wälder. Gemeinsam studieren sie die heiligen Schriften der Inder. Aber Hesse kann den entscheidenden Sprung der Hingabe nicht leisten und kehrt ins bürgerliche Leben zurück. Er verhöhnt sogar seinen einstigen Meister als in den Bäumen han­gelnden Gorilla. Doch kann er seine Abwehr auf Dauer nicht durchhalten, sie endet 1916 mit seinem Zusammenbruch. Jetzt sucht er wieder Zuflucht bei Gräser. Auf dem Monte Verità von Ascona erlebt er eine seelische Neugeburt. Der in Depressionen Versunkene erlebt eine Glücks­zeit, fühlt sich aufgenommen in den Bund einer zukünftigen Gemeinschaft, die sich ihm in Gusto Grä­ser, seinem „Demian“ und neuen „Zarathustra“, verkörpert.
Der ehemalige Kriegsfreiwillige wandelt sich zum entschiedenen Kriegsgegner. Doch wagt er kein öffentliches Be­kenntnis, verbreitet seinen Roman unter Pseudonym. 1919 zieht er sich ein zwei­tes Mal von Gusto Gräser zurück – und stürzt in den Abgrund seiner „Steppen­wolf“-Krise. Selbstmord­gedanken verfolgen ihn, bis er nach zehn Jahren, dem Erblinden nahe, wiederum zusammenbricht. Nun schreibt er einen langen offenen Brief der Reue, der Beichte und der Bitte um Wiederannahme durch den Freund in der Erzählung „Morgenland­fahrt“. Auch sein letztes großes Werk, das „Glas­perlenspiel“, kreist um das Thema der Rückkehr zu einem Freund und Meister.
Hermann Hesse war also gar nicht der selbständige Denker und Schriftsteller, als den man ihn Jahrzehnte lang wahrgenommen hat. Man hat zwar seine Lehrer-Schüler-Verhältnisse als eine besondere Eigenart seiner Romane und Novellen zur Kenntnis genommen. Aber nur die wenigsten haben sich wohl wirklich klar bewußt gemacht, wie zentral das Leben von Hesse durch ein solches Verhältnis bestimmt gewesen ist. Wie kann man Hermann Hesse, wenn man dies zur Kenntnis genommen hat, noch als einen freien, unabhängigen, eigenständigen Denker und Schriftsteller empfinden?

Wie kann man noch ein Wort über Hermann Hesse sagen, ohne zuvor zu prüfen, was zum gleichen Sachverhalt aus der Sicht von Gusto Gräser zu sagen wäre?

1900 Kennenlernen - 1907 "Noviziat", dann Trennung - 1916 Zusammenbruch und Rückkehr - 1919 Trennung ("Steppenwolfphase") - 1930 Rückkehr (1932: "Morgenlandfahrt", 1943: "Glasperlenspiel")

Sicherlich gibt es viele schöne Worte, Gedichte und gedankenreiche Abschnitte in den Werken von Hermann Hesse. Als ein Beispiel sei das Gedicht "Stufen" genannt, im folgenden Tonbeispiel von Hermann Hesse selbst gelesen (Yt.):
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Wenn man sich aber diesen Grundzug der ständigen, doch zur Unselbständigkeit tendierenden Abhängigkeit eines Schülers zu seinem Lehrer bewußt macht, kann man dann die Hauptwerke von Hesse noch so unbefangen genießen? Fühlt man dann nicht viel stärker den Mief, den Muff von Priesterkasten in ihnen wehen, von Männerbünden, von "Eliteschulen" ("Glasperlenspiel"), religiösen Männerorden (Jesuitenorden, Okkultlogen)? Den man zuvor immer überlesen hatte. Erst im Nachhinein wird einem bewußt, daß sogar "Narziß und Goldmund" davon geprägt ist: "Goldmund" ist ein Priester! Und er ist der Narziß gegenüber überlegene Mensch!!!

Daß Hermann Hesse vor allem an eine vergeistigte Intellektualität geglaubt hat, die sich im Rahmen solcher Institutionen auch entwickeln kann, und daß er diese vor allem gesehen hat, nimmt man ihm gerne ab. Aber daß  er so viele und zahlreiche Schattenseiten von "Eliteschulen", Männerbünden, -orden offenbar nicht gesehen haben will - ist das möglich? Gustav Gräser wäre nicht - wie doch allzu deutlich in "Morgenlandfahrt" und im "Glasperlenspiel" dargestellt, der führende Priester eines mächtigen, angesehenen Männerordens gewesen? Es fällt uns schwer, das zu glauben.

Der Okkultismus von Rudolf Steiner - abgelehnt von Hermann Hesse

Dezidiertere okkulte Züge findet man bei Hermann Hesse - oder bei Gusto Gräser - auf den ersten Blick wohl nicht. So hat sich Hermann Hesse zum Beispiel 1935 in einem Brief sehr eindeutig gegen die Theosophie und Anthroposophie von Rudolf Steiner ausgesprochen. Er sagt (Wiki):
Anthroposophische, Steinersche Quellen habe ich nie benützt, sie sind für mich ungenießbar, die Welt und Literatur ist reich an echten, sauberen, guten und authentischen Quellen, es bedarf für den, der Mut und Geduld hat, selber zu suchen, der ‚okkulten‘ und dabei meist elend getrübten Quellen nicht. Ich kenne sehr liebe Leute, die Steinerverehrer sind, aber für mich hat dieser krampfhafte Magier und überanstrengte Willensmensch nie einen Moment etwas vom Begnadeten gehabt, im Gegenteil.
Das heißt aber wie gesagt nicht, daß nicht Hesse dennoch seinen "Guru" gehabt hätte. Sehr deutlich wird alles über diesen "Guru" schon, wenn man sich mit den Hintergründen seiner Erzählung "Die Morgenlandfahrt", erschienen im Jahr 1932, beschäftigt. Über sie heißt es auf Wikipedia:
Zentrale Gestalt ist jedoch der Diener und Lastträger Leo, in dem Hesse ein Nachbild seines Freundes und Vorbilds Gusto Gräser geschaffen hat.
Der siebenbürgische Dichter Gräser lebte während des Ersten Weltkrieges in der Schweiz (Wiki):
Gräser wurde zum Vorbild für Kriegsgegner aus ganz Europa, die sich in Ascona um ihn sammelten. Darunter die Tänzer Rudolf von Laban und Mary Wigman, der Philosoph Ernst Bloch, der Dramatiker Reinhard Goering, der Bildhauer Hans Arp, die Dadaisten Hugo Ball, Hans Richter, Marcel Janco und viele andere.
Gusto Gräser, der "Inflationsheilige" und die "Neue Schar"

Und wir erfahren weiter auf Wikipedia über die Unternehmungen dieses "barfüßigen Propheten", bzw. "Inflationsheiligen"
Gräser war es, der nach dem Krieg eine Wanderung durch Oberschwaben nach Urach unternahm. Gräser war es auch, der den ekstatischen Zug der "Neuen Schar" unter Führung des Drechslergesellen Friedrich Muck-Lamberty durch Nordbayern und Thüringen inspirierte, der an ihren Lagerfeuern sprach und dessen Gedichte auf ihren Flugblättern verbreitet wurden. Fünfundzwanzig junge Männer und Frauen zogen singend und tanzend durchs Land, feierten auf öffentlichen Plätzen und in Kirchen mit Blumen und Gesängen, rissen Zehntausende mit sich in ihren "Kreuzzug der Liebe", der auch als "Kinderkreuzzug" verspottet und mit dem Treiben der Wiedertäufer verglichen wurde.
Wie mittelalterliche Wiedertäufer zog die „Neue Schar“ singend, tanzend und predigend durchs Land und verkündete die „Revolution der Seele“. Sie strebten einen Zustand des „Schwebens“ an und praktizierten Selbsterfahrung in gruppendynamischen „Thing“-Sitzungen. Gusto Gräser sprach an ihren Lagerfeuern, seine Gedichte schmückten ihre Flugblätter. Sie schliefen in der freien Natur, feierten in Kirchen, die sie mit Blumen und Zweigen schmückten, und verbreiteten auf ihrem Weg eine wahre Tanzeuphorie. Wie der legendäre Rattenfänger von Hameln zog Muck-Lambertys Gruppe erst hunderte, dann tausende von Menschen in ihren Bann. Den Höhepunkt des Zuges bildete Erfurt, auf dessen Domplatz mehr als 10.000 Menschen in einem rauschhaften Gemeinschaftserlebnis tanzten.
(Einfügung vom 2.6.2013): Die frühe völkische Hintergrundpolitik-Kritikerin Mathilde Ludendorff weist in ihren Lebenserinnerungen auf Tatsachen hin, die man so deutlich auf den gegenwärtigen Wikipedia-Artikeln zum Thema noch nicht lies. Über ihre im Januar 1921 begeonnene Zusammenarbeit mit der "Münchner Augsburger Abendzeitung" schreibt sie (S. 179):
Soweit ich mich erinnere, versprach ich damals gleich, den Thüringer Revolutionsunfug der Jugend, die sich unter der Führung des Muck Lamberti eine unheilvolle Lockerung der Sitten erlaubte, zu behandeln. Diese Jugend war überzeugt worden, daß aus den Kindern dieses M. L. ein "Heiland" hervorgehen werde. Mir wurden die Unterlagen des Elends, das hier angerichetet ward, geschickt, und so schrieb ich denn meine Beiträge, die dem Unwesen steuern sollten.
Damit wären Bezüge nach Indien, Tibet, dem "Morgenland", wo ja auch der Dalai Lama als Kind unter den Kindern des landes ausgesucht wird, noch deutlicher. Und das bewußte "Kinderzeugen" weist sogar sehr deutlich in die Richtung von satanismusähnlichen Okkultlogen und dem, was dort prakiziert wird. (Ende der Einfügung)


"Die Morgenlandfahrt" von Hermann Hesse

Und ausgerechnet diesen Zug des Inflationsheiligen und barfüßigen Propheten nun in einer Art "Endzeitstimmung" schildert Hesse in seiner Erzählung "Die Morgenlandfahrt". Man ist hochgradig erstaunt, wie sehr Hermann Hesse in dieser Erzählung doch ziemlich eindeutig die Freimaurerei in den höchsten Tönen lobt und anpreist, sie als den eigentlichen treibenden Hintergrund für den Zug der "Neuen Schar" darstellt und sich dabei doch auch ziemlich eindeutig selbst als ein - zeitweise ungetreues - Mitglied der Freimaurerei darstellt.

Das Verhältnis zwischen Gräser und Hesse wird als "Noviziat", also wie im "Jesuitenorden", bezeichnet.  Es ist von jener "seelischen Wiedergeburt" die Rede, von denen Männerorden so gerne behaupten, sie könnten sie durch eine Mitgliedschaft veranlassen. (Anklänge davon finden sich ja auch in dem Gedicht "Stufen".) Wir erfahren darüber (3).
Hesse lernte Gräser um 1900 kennen; dessen Gestalt und Denken wird schon in "Camenzin" sichtbar. Im Frühjahr 1907 folgte der Dichter seinem "Freund und Führer" auf den Monte Verità, lebte mit ihm zusammen in einer Grotte der Südalpen, versuchte sich wochenlang, fastend und nacktlaufend, als Einsiedler "In den Felsen". Zwar scheiterte dieses erste "Noviziat" an seiner eigenen Schwäche, doch nach zehnjähriger Entfremdung kehrte Hesse 1916 reumütig in die Arme des Freundes zurück. Im Zusammensein mit ihm erfuhr er eine seelische Wiedergeburt, die große Wandlung seines Lebens. In Gräser erlebte er den Führer zum eigenen Selbst, in dessen Frau Elisabeth ein Abbild der Großen Mutter.
Der ehemalige Kriegsfreiwillige wandelte sich jetzt zum entschiedenen Kriegsgegner und Vorkämpfer der Gewaltlosigkeit. Im zweiten Teil des "Demian"  hat er seine Erfahrungen dichterisch gestaltet, in Essays und Aufrufen seine neue Gesinnung dargetan. Höhepunkt seines Einsatzes für Gräser, der allerdings meist anonym blieb, war die emphatische Flugschrift "Zarathustras Wiederkehr" von 1919, die seinem Freund den Weg ins Nachkriegsdeutschland ebnen sollte.
Nach einem neuerlichen Rückzug von zehnjähriger Dauer, den er später als "Verrat" und "Flucht" erkannte, findet Hesse um 1930 endgültig zu dem Vielverkannten, Vielgeschmähten zurück. "Morgenlandfahrt" und "Glasperlenspiel" besiegeln die Heimkehr zu dem als Yogin, Beichtvater, Regenmacher und Spielmeister verehrten Freund und Meister, die Erneuerung ihres Bundes vom Monte Verità.
Gräser, so erfahren wir auf Wikipedia,
öffnete ihm auch den Zugang zur geistigen Welt des Ostens.
Also wäre möglicherweise auch der "Siddharta" ohne Gräser nicht entstanden.

"Die Morgenlandfahrer" - unter Freimaurern beliebt

Dementsprechend können Freimaurer auch mit Hermann Hesse sehr viel anfagen (ab). Es hat sogar schon Freimaurerlogen gegeben, die ihre Loge "Die Morgenlandfahrer" benannt haben (c).
Mit seinem Alterswerk "Das Glasperlenspiel" hat Hermann Hesse in den Jahren 1930 bis 1942 eine Gegenwelt zum Zeitalter des Faschismus und zum kommerziellen Kulturbetrieb der Gegenwart entworfen,
lautet der Verlagstext von Suhrkamp (4) und weiter:
"Es galt für mich", schrieb er rückblickend, "einen geistigen Raum aufzubauen, in dem ich leben und atmen konnte. Allen Vergiftungen der Welt zum Trotz mußte ich das Reich des Geistes und der Seele als existent und unüberwindlich sichtbar machen ...
- und das ausgerechnet in einem Männerorden! - 
..., so wurde meine Dichtung zur Utopie, das Bild in die Zukunft projiziert, die üble Gegenwart in eine überstandene Vergangenheit gebannt."
Unsere Zukunft - ausgerechnet ein Priesterstaat?

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  1. Michel Dietrich - "Verschwörung gegen Deutschland und Europa - Ein Blick hinter die Kulissen des Welt-'Zaubertheaters' der 'Glasperlenspieler'". 1. Auflage 1951. "Zu beziehen durch F. Adlerhorst, Gelsenkirchen-Buer" (100 Seiten) (Scribd)
  2. Bading, Ingo: Peter-Robert König - und Bücher, die wir noch lesen wollen. GA-j!, 6.7.2011
  3. Jünger, Ernst: Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt. (Erstausgabe 1949.) Kapitel "Ortners Erzählung". In: Sämtliche Werke, Bd. 16, Klett-Cotta, Stuttgart 1980, 2. Aufl. 1998, S. 117 (Google Bücher)
  4. Bading, Ingo: Okkulte Priesterdiktatur für den deutschen Raum und Ausrottung des "verhurten Gesindels". - Zu Friedrich Hielschers Buch "Das Reich" aus dem Jahr 1931. GA-j!, 5.8.2011
  5. Hesse, Hermann: Die Morgenlandfahrt. Eine Erzählung. (Erstauflage 1932). Suhrkamp-Verlag, 1959 (Scribd)
  6. Hesse, Hermann: Nach der Lektüre des Buches "An der Zeitmauer" (von Ernst Jünger, 1959). In: Arbogast, Hubert (Hrsg.): Über Ernst Jünger. Klett-Cotta, Stuttgart 1995, S. 73 - 76 (Google Bücher)
  7. Müller, Hermann: Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser. Eine Freundschaft. Gisela Lotz Verlag, Wetzlar 1978 und Werdorf 1979
  8. Müller, Hermann: Hermann Hesses Weg mit Gusto Gräser. Auf: Siebenbürgen.de, 11.12.2008
  9. Müller, Hermann: Gusto-Graeser.info.
  10. Hesse, Hermann: Das Glasperlenspiel. (1943) Suhrkamp 1972, Klappentext
  11. Mehr zu Gräser und dem Monte Verita: abce.
  12. Ludendorff, Mathilde: Erkenntnis - Erlösung. III. Teil von: Statt Heiligenschein oder Hexenzeichen - mein Leben. Verlag Hohe Warte, Pähl 1952 

Hermann Hesse, Ernst Jünger und ihre Freunde - Mitglieder freimaurerähnlicher Gesellschaften? (I)

Kurz gefaßt: Eine wenig beachtete Schrift aus dem Jahr 1951 (1) wirft Fragen auf: Ist es ein wesentlicher Zug der Literatur von Hermann Hesse, Ernst Jünger und ähnlich Gesinnter, unter "Mißachtung des Lesers", der "nicht mehr in Betracht" kommt, "Unterhaltungen für Eingeweihte" "über die Köpfe des Publikums hinweg" zu führen "für sehr vereinzelte Angehörige einer imaginären Geheimen Gesellschaft (die in diesen Büchern thematisch stets wieder auftaucht)"? Sind die Autoren dieser Kategorie "mit einer Sekte, einer kühnen Loge im Bunde", "einer 'Gesellschaft vom Turm', welche die eigentlichen Machtkämpfe der Zeit auf abgedunkeltem Felde austrägt"? Nachdem bekannt geworden ist, daß auch Marcel Reich-Ranicki für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet hat, und in welchem Umfang das Ministerium für Staatssicherheit der DDR auf die Literaturszene der DDR und Westdeutschlands Einfluß genommen hat, nachdem bekannt ist, wie sehr sich der Schriftsteller George Orwell vom "Großen Bruder" gemaßregelt fühlte, sollte durchaus auch allgemeiner gefragt werden: In welchem Verhältnis standen und stehen Schriftsteller wie Hermann Hesse oder Ernst Jünger zu "Bünden", zur Freimaurerei, zu Männerorden, Okkultlogen, "Wahrheitsministerien", Staatssicherheitsdiensten, Verfassungs"schutz"ämter und wie spiegeln sich diese Verhältnisse in ihren Werken wieder? Stellen auch ihre Werke "Pülverchen bereit, durch die man Völker entnerven kann" (Ernst Jünger)?

Einige erste Recherchen und Überlegungen zur Thematik.

/Dies ist Teil 1, hier gehts zu Teil 2./

1949 - Der "neue Stil" von Ernst Jünger

Im Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Eine Welt lag in Trümmern. Die Ideale einer ganzen Jugend waren zerbrochen. Ein großer Teil der deutschen Soldaten, die den Krieg überlebt hatten, befand sich zu diesem Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft. Hier - und auch sonst in Deutschland - begann man nun jene Autoren eines so genannten "besseren Deutschland" zu lesen, also jene, die während des Dritten Reiches wenig gelesen worden - oder die sogar verboten gewesen - waren. Man kehrte aus Kriegsgefangenschaft zurück und schrieb sich ein an einer westdeutschen Universität, um - zum Beispiel - Germanistik zu studieren. Einer dieser jungen Leute scheint jener Mensch gewesen zu sein, der sich unter dem Verfassernamen Michel Dietrich verbirgt, der 1951 eine bis heute offenbar wenig beachtete und wenig bekannte Schrift herausgebracht hat (1). Und man fragt sich beim Lesen derselben, ob zu der in dieser Schrift behandelten Thematik eigentlich seither weitere Studien veröffentlicht worden sind. (Da sie kaum noch erhältlich ist, haben wir sie einmal - auch zum besseren Verständnis des folgenden - auf Scribd.com hochgeladen.)

Offenbar war damals die 1948 erschienene Schrift des Schriftstellers und vormaligen BBC-Kriegsberichterstatters George Orwell "1984" noch nicht nach Deutschland gedrungen. Aber einer der Anlässe für die Schrift von Michel Dietrich war, daß dieser Autor im Feuilleton-Teil des damals angesehenen Aachener "Europa-Kuriers" vom 15. April 1949 eine Betrachtung zu dem dort so genannten "neuen Stil" von Ernst Jünger las. Und auch wenn wir diese Betrachtung heute lesen, schießt uns die Frage durch den Kopf: War Ernst Jünger etwa eine Art deutscher George Orwell? Jedenfalls hätte dieser so genannte "stil nuovo", so konnte ein Germanistikstudent damals dort lesen, Ähnlichkeit mit dem Stil Cocteau's, Andre Gides', Kafkas oder - - - mit den "Glasperlenspielern" Hermann Hesses. Uff! Hermann Hesse soll auch zu dieser illustren Runde gehören? Das kam uns selbst zunächst, die wir in unserer Jugend begeistert den "Siddharta" gelesen hatten, in diesem Zusammenhang am wenigsten glaubhaft vor. Als Germanistikstudent konnte man jedenfalls 1949 in diesem Euro-Kurier wörtlich weiter lesen (zit. n. 1, S. 15; Hervorhebungen nicht im Original):

Ein deutliches Kennzeichen dieses Stils ist eine von zuweilem ironischem Hohne, immer jedoch von einem entschiedenen Willen zum Abstand getragene Mißachtung des Lesers. Der Leser kommt nicht mehr in Betracht. Bücher dieser Art sind Unterhaltungen für Eingeweihte, sind Hinweise, Betrachtungen, Formulierungen über die Köpfe des Publikums hinweg für sehr vereinzelte Angehörige einer imaginären Geheimen Gesellschaft (die in diesen Büchern thematisch stets wieder auftaucht). (...) Sie genießen die Chiffre, die verhüllte Verständigung, wie sie sich in der Verschlüsselungskunst der "Marmorklippen" spiegelt, deren Verstellfiguren im "Abenteuerlichen Herzen" vorbereitet werden. Der Autor scheint ständig mit einer Sekte, einer kühnen Loge im Bunde zu sein, einer "Gesellschaft vom Turm", welche die eigentlichen Machtkämpfe der Zeit auf abgedunkeltem Felde austrägt. (...)

Ist denn seit 1949, seit 1951 zu dieser Thematik nichts mehr geschrieben worden? Diese Worte konnte man als Germanistikstudent 1949 durchaus ernst nehmen. Und man konnte sie sich so sehr zu Herzen nehmen, daß man von da ab vieles aus ihrem Blickwinkel heraus las, was bis 1949 in diesem Literaturbereich erschienen ist. Und die Lesefrüchte konnte man dan in einer Schrift wie der genannten (1) auswerten. Obwohl man seit Jahrzehnten eifrige Ernst Jünger-Leser zu seinem engeren Freundeskreis zählt, die zugleich auf Hintergrundpolitik sehr kritisch sehen, ist man noch nie auf eine solche Schrift hingewiesen worden. Kann es sein, daß dieses Thema wirklich noch so wenig behandelt worden ist in der Literaturwissenschaft?

Auf diese Schrift aus dem Jahr 1951 sind wir selbst vor einigen Monaten von Seiten eines älteren Lesers hingewiesen worden (2), nachdem wir auf unserem Blog nach der Eliten-Kontinuität während des 20. Jahrhunderts gefragt hatten und unter anderem auch danach, wie ein Werner Best, der dritte Mann hinter Himmler und Heydrich, lebenslang ein guter Freund von Ernst Jünger hatte sein und bleiben können. (Und während unsere Studien erfahren wir nun, daß auch Hermann Hesse noch im Jahr 1959 eine durch und durch positive Rezension zu Ernst Jünger schreiben sollte und sich in wesentlichen Fragen als ihm gleich Gesinnter zur erkennen geben sollte [siehe unten].) 

Abb.: Hermann Hesse*)
Und wir hatten danach gefragt, warum so vielerseits ideologischen, z.T. satanistischen, mit dem Nationalsozialismus verfolgten gesellschaftlichen "Selbstmordprogrammen" eher nachgegeben wurde, als daß man ihnen scharf entgegengetreten wäre von Lobbykräften und herrschenden Eliten vor 1933. Wir hatten danach gefragt, in wessen Interesse so viel Werbung gemacht wurde für die pessimistische Welthaltung eines Oswald Spengler. Und in all dieses Fragen paßt nun diese uns neue Schrift von Michel Dietrich mehr als paßgenau hinein. Diese Schrift stellte schon 1950 die gleichen Fragen. 

Was uns aber an dieser uns bis dato völlig unbekannt gebliebenen Schrift vor allem verblüffte, war eben vor allem, daß neben so vielen anderen Autoren auch Hermann Hesse in diese Kategorie quasi eines mehr oder weniger bewußten Propagandisten totalitärer Geheimdienstherrschaft mit hineingehören sollte. 

"Über die Köpfe des Publikums hinweg"

Und deshalb lasen wir zunächst einmal in den Werken Hermann Hesses, von denen uns bis dato nur der "Siddharta" bekannt gewesen und in so guter Erinnerung geblieben war. Und man stellte fest: Insbesondere "Die Morgenlandfahrt" von 1932 paßt ja hervorragend und unübersehbar in diese Literaturkategorie hinein (siehe unten). Und weitere Recherchen ließen uns nur wenig später auf Gusto Gräser stoßen, den merkwürdigerweise erst nach Hesses Tod bekannt gewordenen "Guru" von Hermann Hesse.   

Und wir richteten folgende Anfrage an den Nachlaßverwalter dieses Gurus von Hermann Hesse, nämlich an Hermann Müller, der auch eine eigene Netzseite über Gusto Gräser betreibt (vgl. 7-11):

Sehr geehrter Herr Müller,
ich habe einige Beiträge von Ihnen über das Verhältnis von Hermann Hesse und Gusto Gräser im Internet gelesen. Beide gehörten, so liest man immer wieder, irgendeinem informellen "Bund" an. Aber in der Novelle "Die Morgenlandfahrt" und auch im "Glasperlenspiel" liest sich das alles doch ein wenig konkreter.
Ein Orden, der ein umfangreichstes Geheimarchiv über alle seine Mitglieder besitzt, der dem einzelnen gegenüber - vor allem dem "Abweichler" - "allwissend" gegenüber tritt. Der also groß und mächtig ist und sich darauf beruft, uralte, geistige Traditionen zu verfolgen. Welche wohl andere als die der Tempelritter (... "Morgenlandfahrt" ...), der Rosenkreuzer und schließlich der Freimaurerei und/oder des Jesuitenordens?
Und schließlich wird das alles ja noch spezifiziert in den "Glasperlenspielern", ein einziger riesiger großer Ordens-Roman, eine Apotheose auf einen Priesterorden, auf eine "Eliteschule", die nach dem Selbstverständnis von Hesse im Zeitalter des Faschismus offenbar allein "vergeistigte Intellektualität" ermöglicht haben soll (was viele Odenwaldschüler und Schüler von Jesuitengymnasien heute bestimmt anders sehen).
Nirgendwo aber im Netz liest man etwas von einem Verhältnis Gräsers oder Hesses zu manifesten Organisationen wie der Freimaurerei oder dem Jesuitenorden. Oder habe ich da irgendwo etwas überlesen?
Ich möchte also fragen: Das Oberhaupt welchen konkreten Ordens, welcher konkreten Loge war denn Gusto Gräser? Es kann doch nicht sein, daß diese Organisationsstrukturen von Hesse so konkret dargestellt sind und dann bloß der dichterischen Phantasie entsprungen sind, wenn auch alles sonst auf sehr konkreten biographischen und zeitgeschichtlichen Hintergründen beruht! - ?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen im Voraus, mit freundlichen Grüßen, ...

Der "Bund vom Monte Verità"

Und wir erhielten die folgende Antwort (Hervorhebung nicht im Original):

... der "Bund" in hesses erzählung ist natürlich ein dichterisches bild. eine metapher. einen offziellen bund als institution (mit titeln, ämtern und ritualen) hat es nicht gegeben. wohl aber einen bund als innere erfahrung. ich nenne ihn den "Bund vom Monte Verità". auch im 'Demian' ist ja schon von einem orden die rede, dem sinclair-hesse sich zugehörig fühlt. es sind die "Gezeichneten" und "Zukünftigen", d. h. die gesellschaftlich verfemten vom monte verità, d. h. im kern gräser und hesse. sogar schon in frühen mv-erzählungen nach 1907 spricht er von einem "Orden", auf die monteveritaner bezogen, wenn auch noch halbironisch.
das modell des ordens - ob freimaurer, rosenkreuzer oder kreuzritter - diente also hesse dazu, sein verhältnis zu gräser in ein bild zu bringen. leo ist, obwohl sozial auf unterster stufe (hundefriseur), der oberste des bundes, mit dem er - wie der jünger johannes mit jesus - verschmelzen will.
der zug der Neuen Schar bot natürlich besonderen anlass, auf dieses symbolum zurückzugreifen. mit der Schar war 1920 vor den augen hesses die untergegangen geglaubte gesellschaft vom monte verità neu erstanden. im glasperlenspiel hat hesse diese ordensidee noch weiter ausgebaut. aus dem träger des bundesgeheimnisses leo wird hier der altmusikmeister. hesse hat immer wieder nach neuen bildern gesucht, die seinem freund (und eigentlich meister) gerecht werden könnten.
ich freue mich über Ihr interesse und grüsse herzlich hermann müller

Diese Antwort will einem nicht so recht genügen. Schon das enge Verhältnis zwischen Gräser und Hesse ist bis zu beider Tod vor der Öffentlichkeit verheimlicht worden, obwohl es sehr konkret in Hesses Werken dargestellt worden ist, wie Hermann Müller herausgearbeitet hat. Warum sollte da nicht noch mehr verheimlicht worden sein?

Aber man muß sich mit dieser Antwort offenbar vorläufig zufrieden geben. Das Verhältnis zwischen Gusto Gräser und Hermann Hesse werden wir im zweiten Teil dieses Aufsatzes noch detaillierter behandeln. Jedenfalls würde uns nach den Romaninhalten und sonstigen Aussagen Hermann Hesses nichts naheliegender erscheinen, als daß Hermann Hesse - wie Goethe - Mitglied einer Freimaurerloge war, eingeführt von dem Ordensoberen Gusto Gräser, wo er sich mit vielen bekannten Literaten seiner Zeit getroffen haben könnte. Und es würde einem nichts naheliegender erscheinen, wenn die vielen wertloseren, weil totalitäre Geheimordensherrschaft verherrlichenden oder verbrämenden Teile seines Werkes von diesen Erfahrungen mitbestimmt wären.  Daß Hermann Hesse - ebenso wie Goethe - neben solchem wertlosen Quark auch Wertvolles, seine Leser in vollem Umfang Respektierendes geschrieben hat, steht dabei für uns übrigens völlig außer Frage. Dazu hatten wir selbst schon zu viele wertvolle Leseerlebnisse mit Hesse. Aber es gibt eben diese andere Seite auch, die in vielen Werken die weitaus überwiegende zu sein scheint, und die einem deshalb zunehmend ungenießbarer erscheinen wollen.

"Die Herren der Probleme, mit denen sich die Zeitgenossen beschäftigen" - Ernst Jünger in "Heliopolis" (1949)

Wie sehr die oben zitierten Worte aus dem Europa-Kurier des Jahres 1949 zutreffen, wollen wir in diesem Beitrag gar nicht "in extenso" eruieren. Würden uns aber über ausführlichere Untersuchungen zu dieser Thematik sehr freuen. In jedem Fall konnte man als Germanistikstudent vieles auch schon gleich in dem 1949 erschienenen Roman "Heliopolis" von Ernst Jünger nachlesen. Dazu im folgenden nur wenige Belege. Dort konnte man zum Beispiel folgende Stelle lesen und dann aus ihr zitieren (3, S. 116f; 1, S. 3 und andernorts) (Hervorhebung nicht im Original):

... Ich blickte mich um und sah, daß dort ein Unbekannter saß, der mich aufmerksam betrachtete. Es war ein Mann in grauem Straßenanzug. (...) Auch das Gesicht des Unbekannten war unauffällig, von einem Typus, wie man ihn in unserer Welt alltäglich trifft. Die scharfen, aufmerksamen Züge deuteten auf die Gewohnheit eigener und führender Entschlüsse, die blasse Haut auf Nachtarbeit. Man stößt auf solche Köpfe in den Ministerien, den Banken, der Industrie. Doch findet man sie dort nicht an den ersten Stellen, sie wirken eher von versteckten Zimmern aus. Wir irren lange in diesen Labyrinthen, wenn wir in Geschäften kommen, uns immer tiefer ins Gewirr verstrickend, bis endlich ein Diener uns in die Zelle solcher Eminenzen führt. Hier fällt dann Licht auf unsere Dinge; mit zwei, drei Sätzen wird das Entscheidende geklärt, zur Unterschrift gebracht. Zuweilen trifft man sie natürlich auch

- wie im Falle der hier von Jünger dargestellten Szene -

in den Nachlokalen und in den Bars, als Gäste von Distinktion. Zu anderen Zeiten würde man solche Geister als bösartig, ja fürchterlich begriffen haben, indessen in einer Welt, in der das Böse zum Allgemeinen wurde, wirken sie autoritär. Man wittert sogleich, daß sie das herrschende Prinzip verkörpern, daß sie die Führer sind. Doch legen sie auf Ehren keinen Wert und finden in der Arbeit ihren Lohn. Sie konstruieren in ihren Zellen Gedanken, die schärfer sind als alle Schwerter, erfinden Pülverchen, durch die man Völker entnerven kann. Im Auftreten sind sie bescheiden, doch sicher, und kennen ihren Rang. Man fühlt: sie sind die Herren der Probleme, mit denen die Zeitgenossen sich beschäftigen. Das Wissen gibt ihnen eine kaum wahrnehmbare Ironie.

Man lasse sich doch einmal solche Sätze auf der Zunge zergehen:

In einer Welt, in der das Böse zum Allgemeinen wurde, (...) sind sie die Führer. Zu anderen Zeiten würde man solche Geister als bösartig, ja fürchterlich begriffen haben ...

Also: sie tun und bewirken das Böse. Was denn sonst? Ernst Jünger hatte zwölf Jahre Nationalsozialismus und sechs Jahre Weltkrieg hinter sich. "Andere Zeiten" haben sich sehr schnell ergeben. Allerdings hat ein echter Elitenwechsel, ein echter Austausch jener "bösartigen Geister" niemals stattgefunden. Was ja auch George Orwell in "1984" nahelegt.

Und Ernst Jünger? Er ist davon nicht entsetzt oder empfindet Abscheu. Offenbar hängt auch er der in Okkultlogen weit verbreiteten Meinung an, daß das Böse, Fürchterliche getan werden müsse - in einer bösen, dem Untergang "geweihten" Welt - um das Gute zu bewirken. - - - Und dann: Weinstuben, Bars, Nachtlokale - auffälligerweise ein Ambiente, das auch Jünger-Freund Friedrich Hielscher erwähnenswert hielt in seiner zutiefst abstoßenden Schrift "Das Reich" von 1931 (4), in der ebenfalls viel Böses gefordert wird, um Gutes bewirken zu können.

Und sollte irgend etwas näher liegen, als daß Ernst Jünger hier - etwa - an seinen lebenslangen Freund, den bis zu seinem Lebensende (1989) "Fäden ziehenden", durch Seilschaften getragenen Gestapo-General Werner Best, gedacht hat? Oder daß er an seinen vor wie nach 1945 einflußreichen Freund, den General Speidel, die "rechte Hand" von General Rommel, gedacht hat (dessen Handlungen wahrscheinlich erst die Invasion von 1944 ermöglicht haben)? Oder an welche Persönlichkeiten sonst in diesem Umfeld, die Jünger vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in einer so "bösen Welt" an führenden Stellen in Berlin, im friedlichen Paris  kennengelernt haben mag? Wenige Seiten später jedenfalls werden dem Protagonisten dann von einem Eingeweihten in wörtlicher Rede die eigentlichen Zusammenhänge erklärt (3, S. 121):

"Sie ahnten, daß es zwei Sorten von Menschen gibt: die Toren und die Wissenden. Die einen sind die Sklaven, die anderen die Herren dieser Welt. (...) Die Sklaven regiert der Zufall; die Herren bestimmen ihn. Es gibt im namenlosen Heer der Blinden einige Geister, die sehend sind. (...)
Die Welt ist nach dem Vorbild der zwiefachen Kammer, der chambre double, ausgeformt. (...) Denken Sie sich folgendes: Sie halten sich mit einer großen Gesellschaft in dieser Kammer oder in diesem Saale auf. Man spielt, man debattiert, man treibt Geschäfte, kurzum man tut, was Menschengewohnheit ist. Für die uneingeweihten Gäste werden die Dinge und ihre Konstellationen in diesem Saale mehr oder minder dem Zufall anheim gegeben sein. Daher vermag auch keiner unter ihnen mit Sicherheit zu sagen, was selbst die nächste Minute bringt. (...)"

Und dann werden die "Eingeweihten", die "Herren der Probleme" vorgestellt: 

"Diese Charaktere bilden den Schlüssel zu allen Vorgängen, die sich im Saal (- also in der Welt selbst!) abspielen. Sie glichen bislang einem Menschen, der nächtlich der Bahn der Sterne folgte, doch ohne Kenntnis der Astronomie. Nun sind Sie wissend, und Ihre Macht gleicht jener der alten Priesterschaften, die Mond- und Sonnenfinsternisse verkündeten. Sie haben die Weihen angenommen, die Ihnen magisches Fürstentum verleihen. ..."

Im Angesicht von Wiederbewaffnung und Atomkriegsgefahr, nach Lesen von Hinweisen darauf, daß der Nationalsozialismus vor 1933 durch die Wallstreet-Banker finanziert worden sein könnte (1, S. 71f), und um so mehr man sich als Germanistikstudent in dieser Literatur eines "besseren Deutschland" umtat, um so mehr man die - zum Teil mit Geheimdiensten zusammenarbeitenden - Literaturkritiker las und die von ihnen gepriesenen Werke, um so mehr konnte in einem offenbar als jungem Studenten der Zorn entbrennen. Man konnte sich unter anderem durch folgende sich gegenseitig anpreisende und miteinander "über die Köpfe des Publikums" hinweg miteinander "korrespondierende" Literatur hindurchlesen. Im folgenden eine Zusammenstellung der in (1) erwähnten und entsprechend eingeordneten Werke:

Alfred Kubin: Die andere Seite (1909)
Gustav Meyrink: Der Golem (1913)
Gustav Meyrink: Feldermäuse (1916)
Gustav Meyrink: Walpurgisnacht (1917)
Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes (1919)
Walter Rathenau: Kritik der dreifachen Revolution (1919)
Hermann Hesse: Demian (1919)
Hermann Hesse: Blick in Chaos (darin: Die Brüder Karamasoff oder Untergang Europas) (1921)
Gustav Meyrink: Meister Leonhard (1925)
Gustav Meyrink: Der Engel vom westlichen Fenster (1927)
Hermann Hesse: Der Steppenwolf (1927)
Ernst Jünger: Das abenteuerliche Herz (1929)
Hermann Hesse: Die Morgenlandfahrt (1932)
Ernst Bertram: Von deutschem Schicksal (Gedichte) (1932)
Ernst Jünger: Auf den Marmorklippen (1939)
Hans Leip: Die Laterne (Lieder und Gedichte) (darunter: Lili Marleen) (1942)
Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel (1943)
Elisabeth Langgässer: Das unauslöschliche Siegel (1946)
Thomas Mann: Doktor Faustus (1947)
Herbert Fritsche: Zeit der Lilie (Gedichte) (1947)
Elisabeth Langgässer: Der Torso (1947)
Ernst Jünger: Strahlungen (1949)
Ernst Jünger: Heliopolis (1949)
Martin Buber: Gog und Magog (1949)

Gustav Meyrink ist einer der "großen" deutschen Okkultautoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man konnte Literaturkritiker lesen wie Gerhard F. Hering zum "Glasperlenspiel" und zu "Doktor Faustus" (1, S. 7f), Herbert Fritsche (in "Die Zeit" vom 15.1.1948) (1, S. 26), Arnold Bauer (in: Der Monat, Heft 6) (1, S. 31, 55, 77), Erich Brock (in "Neue Schweizer Rundschau", Dezember 1949) (1, S. 45), Fritz Martini ("Deutsche Literaturgeschichte", 1950), Hans Naumann ("Die deutsche Dichtung der Gegenwart"), Fritz Kraus (in: "Badische Zeitung" vom 20.12.1949) oder den Literaturhistoriker Matzig (1, S. 78). Den Text, den man dann als sich gedanklich überschlagender Germanistikstudent schrieb (1), mußte nicht in allen Teilen besonders gut lesbar sein. Aber die Grundaussage blieb klar (1): Den genannten Autoren, zum Teil wohl auch den genannten Kritikern, wurde ein in Freimaurerlogen oder in ähnlichen elitären Kreisen gewonnenes Geheim- und Hintergrundwissen über gesellschaftliche Selbstmordprogramme unterstellt, über die sie sich "über die Köpfe des Publikums hinweg" miteinander in ihren Werken schöngeistig unterhalten konnten, als jene, die "weitersahen".

Damit hätte man einen weiteren Fall von Korruption in der deutschen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts, nachdem man schon von so vielen Fällen erfahren hatte. Jüngst erst wieder von der beschwiegenen nationalsozialistischen Vergangenheit so vieler gefeierter deutscher Nachkriegsschriftsteller und Germanisten.


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*) Der Mensch und Schriftsteller Hermann Hesse hat aufgrund so und so vieler äußerst wertvoller Lese-Erlebnisse - vielleicht am häufigsten gar nicht einmal in diesem oder jenem seiner Romane oder Novellen, sondern womöglich eher noch in Briefauszügen, Rezensionen oder ähnlichen Texten, die ja oft zu Themenbändchen zusammen gestellt sind - unsere ganze Hochachtung. Auf den meisten Fotos von Hermann Hesse scheint uns der tiefe Lebensernst, der aus manchen solcher äußerst wertvollen Texte spricht, nicht so recht wiederzufinden zu sein. Das für uns schönste Porträtfoto von Hermann Hesse fanden wir in dem Büchlein "Mit der Reife wird man immer jünger": "Hermann Hesse 1954 beim Lesen der Post". Es steht unter dem Copyright des Suhrkamp-Verlages, ganz klein kann es hier gesehen werden (ganz unten)

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  1. Michel Dietrich - "Verschwörung gegen Deutschland und Europa - Ein Blick hinter die Kulissen des Welt-'Zaubertheaters' der 'Glasperlenspieler'". 1. Auflage 1951. "Zu beziehen durch F. Adlerhorst, Gelsenkirchen-Buer" (100 S.) (Scribd)
  2. Bading, Ingo: Peter-Robert König - und Bücher, die wir noch lesen wollen. GA-j!, 6.7.2011
  3. Jünger, Ernst: Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt. (Erstausgabe 1949.) Kapitel "Ortners Erzählung". In: Sämtliche Werke, Bd. 16, Klett-Cotta, Stuttgart 1980, 2. Aufl. 1998, S. 117 (Google Bücher)
  4. Bading, Ingo: Okkulte Priesterdiktatur für den deutschen Raum und Ausrottung des "verhurten Gesindels". - Zu Friedrich Hielschers Buch "Das Reich" aus dem Jahr 1931. GA-j!, 5.8.2011
  5. Hesse, Hermann: Die Morgenlandfahrt. Eine Erzählung. (Erstauflage 1932). Suhrkamp-Verlag, 1959 (Scribd)
  6. Hesse, Hermann: Nach der Lektüre des Buches "An der Zeitmauer" (von Ernst Jünger, 1959). In: Arbogast, Hubert (Hrsg.): Über Ernst Jünger. Klett-Cotta, Stuttgart 1995, S. 73 - 76 (Google Bücher)
  7. Müller, Hermann: Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser. Eine Freundschaft. Gisela Lotz Verlag, Wetzlar 1978 und Werdorf 1979
  8. Müller, Hermann: Hermann Hesses Weg mit Gusto Gräser. Auf: Siebenbürgen.de, 11.12.2008
  9. Müller, Hermann: Gusto-Graeser.info.
  10. Hesse, Hermann: Das Glasperlenspiel. (1943) Suhrkamp 1972, Klappentext
  11. Mehr zu Gräser und dem Monte Veritàabce.

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