Mittwoch, 16. November 2011

Was ist Weiblichkeit? - fragte der letzte Mensch und blinzelte ...

"Die Lyze" - Ein kleiner Beitrag zum Verständnis des bodenlos Unverständlichen an der modernen Frau
"... Dicht neben dem Gymnasium hatten die Lyzen ihren Sitz. 
Lyzen sind Schülerinnen eines Lyzeums und sonderbare Kerle. Eine Lyze besteht nämlich aus zwei Hälften. Die eine Hälfte ist Backfisch, werdende Dame und künftige Mutter; diese Hälfte ist durchaus weiblich mit allen Reizen und Mängeln dieses beliebten Geschlechtes. Die andere Hälfte der Lyze besteht aus geistiger Arbeit, Logik, Wissenschaft und Schulbetrieb. Diese Hälfte ist nüchtern, sachlich. Man kann auch sagen: sächlich. Selbstverständlich liegen die beiden Hälften im Kampf miteinander. Später wächst sich das nach der einen oder anderen Seite aus. Siegt die eine Hälfte, dann wird aus der Lyze ein braves Hausmütterchen mit allmählich verblassenden Bildungsstreifen; gewinnt die anderen Hälfte die Oberhand, dann entsteht ein gelehrtes Haus mit verkümmernden weiblichen Kennzeichen.
Das Pikante an der Lyze ist, daß man noch nicht weiß, was wird. Darauf beruht ihre Beliebtheit bei jedermann, auch bei den Primanern. ..."
- Ein kleiner Ausschnitt aus dem liebenswerten Roman "Die Feuerzangenbowle" des Schriftstellers Heinrich Spoerl (1887 - 1955). Erschienen im Jahr 1933. Können diese Worte helfen zum Verständnis der Frau und der weiblichen Psychologie in der "modernen Welt"? Oder - um es bombastischer zu formulieren: im "nachmetaphysischen Zeitalter". Im Zeitalter der Nüchternheit und der Selbstverwirklichung? Im Zeitalter der Kollektiverziehung, der Seelenarmut und von Millionen gescheiterten Ehen und Kindheiten? In Zeiten der grassierenden Zunahme von Depression und anderer psychischer Krankheiten?

"Die Feuerzangenbowle" wurde mehrmals verfilmt. Natürlich ist am bekanntesten die Verfilmung mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 1944. Weitere gute Romane von Heinrich Spoerl sind übrigens "Wenn wir alle Engel wären" (1936) oder "Der Maulkorb" (1936). 

Zur Erläuterung des Textausschnittes sei noch erwähnt, daß der griechische Begriff "Lyzeum" von Heinrich Spoerl im Sinne von "Höhere Töchterschule", bzw. "Höhere Mädchenschule" verwendet wird. Diese bestand noch zu Spoerls Zeiten  und bis zur Einführung der Koedukation.

Mädchenklasse (Lyzeum in Nürnberg) aus dem Jahr 1936
Dieser Text mag einem deshalb so zeitgemäß erscheinen, weil von den Frauen heute allseits erwartet wird - und sie es, ideologisch indoktriniert und konditioniert, auch von sich selbst erwarten -, die beiden hier genannten Hälften jederzeit in vollendeter Form vereinen zu können. Man wird wohl mit dem vollen Brustton der Überzeugung sagen können: Das ist ein Irrtum und ein Selbstbetrug, wie größerer Irrtum und Selbstbetrug kaum denkbar ist.

Siebzig Jahre nach dem Ersterscheinen dieses Romans hat sich all das noch ziemlich deutlicher in manche Richtung hin "ausgewachsen", als hier von Spoerl angedeutet - trotz oder wegen der Koedukation, das spielt wohl kaum noch eine ursächliche Rolle. 

Sondern man wird die ständig zunehmende Verkopftheit einer ganzen infantilisierten, ständig emotionsloser werdenden Gesellschaft dafür als Ursache annehmen müssen. Einer Gesellschaft, in der der "Wärmetod des Gefühls" (Konrad Lorenz / "Die acht Totsünden der zivilisierten Menschheit") seuchenartige Verbreitung gefunden hat, und die deshalb gerade dem spezifisch Weiblichen in der Psychologie und im Alltag so gut wie gar nichts mehr abgewinnen kann: "Diese Hälfte ist nüchtern, sachlich. Man kann auch sagen: sächlich."

Paßt deshalb auf unsere Zeit nicht nur Nietzsche's "Was ist Seele?, fragte der letzte Mensch und blinzelte", sondern noch viel eher der Satz: "Was ist Weiblichkeit?, fragte der letzte Mensch und blinzelte". Ja, man ist geneigt, so in etwa zu denken.

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