Samstag, 30. Juni 2012

Die Schicksalsgläubigkeit des Adolf Hitler (Teil 1: 1908 - 1925)

Die Schicksalsgläubigkeit des Adolf Hitler wurde lebenslang bestärkt und bekräftigt durch Astrologen und Hellseher. Eine neue Buchveröffentlichung (1) weist darauf hin, daß die zahlreichen, lebenslangen Kontakte Adolf Hitlers mit Astrologen und Hellsehern und die damit einhergehenden Stimmungsschwankungen inzwischen auf wesentlich breiterer Grundlage erforscht werden können (2 - 56), als dies jemals zuvor möglich gewesen ist. Und sie gibt zahlreichste Anregungen, dies zu tun, ohne das Thema auch nur ansatzweise auszuschöpfen. In dem folgenden Beitrag in vier Teilen wird nach und nach das von uns neu erarbeitete Wissen zum Thema eingearbeitet, immer jeweils ausgehend von der neuen Buchveröffentlichung. Schon jetzt wird sichtbar: Die Geschichte des Dritten Reiches erhält dadurch eine völlig neue Beleuchtung.
Aufsatz in fünf Teilen: 1. Teil (1908 - 1925); 2. Teil (1927 - 1933); 3. Teil (1934 - 1939); 4. Teil (1940 - 1945); 5. Teil (Schluß, Anhang, Literatur)
// Diese Blogartikel-Serie gibt es ab sofort auch als ---> als Buch (430 Seiten für 15 Euro plus Versandkosten)Ende 2014 wird eine deutlich überarbeitete und erweiterte Version dieses Buches erscheinen. //
Abb. 1: Neuerscheinung 2011 (1)

Die Oper "Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart kann ganz gut veranschaulichen, wie in Geheimgesellschaften wie den Freimaurern die Jünger, die strebsamen "Helden" immer wieder sehr bewußt in "Abenteuer" hineingeführt werden. Wie sie sich "bewähren" müssen, wie sie "Ekel-" oder gar "Nahtod-Erlebnisse" erleben müssen, und wie sie durch diese nach und nach zu immer größerer "Weisheit" und "Eingeweihtheit" geführt werden. Dabei werden ihnen nur allzu oft die Augen mit einer Binde verschlossen - gegenüber der "Vorsehung". Und sie stolpern in lächerlichen Aufzügen durch dunkle Gänge, geradezu als sollten sie dabei verhöhnt werden.

Liest man - wie im folgenden dargestellt - von den wiederholten, zum Teil starken Stimmungsschwankungen, von denen die Kontakte Adolf Hitlers zu Astrologen, zu Horoskopen und zu Wahrsagern begleitet gewesen sind, fühlt man sich erinnert an solche "Schreckenserlebnisse" der freimaurerischen "Helden" auf ihrem Weg "durch Nacht zum Licht". So ist Adolf Hitler zum Beispiel zu Weihnachten 1932 so sehr am Tiefpunkt angelangt, daß er an seine Freundin Winifred Wagner schreibt, er würde sich erschießen, wenn er aus diesem Tiefpunkt nicht bald herausgelangen würde. Und wenig später, am 1. Januar 1933, nachdem man Hitler zwei Wochen lang hatte "schmoren" lassen, brachte ihm sein Hellseher Hanussen die glücksverheißenden Zukunftsaussichten des Jahres 1933 (die Details dazu siehe unten).

Bekanntermaßen erwarteten Adolf Hitler und Josef Goebbels eine ganz ähnliche überraschende "Schicksalswendung" im April 1945. Ein "Mirakel" wie der Tod Roosevelts oder eine "Wunderwaffe" sollte sie - erneut - in allerletzter Minute retten. Sie vertrauten darauf mit großer Gewißheit. Ja, mit geradezu "schlafwandlerischer Sicherheit". Hätten sie geahnt, daß sie *diesmal* fallen gelassen werden würden - "von der Vorsehung" - kaltblütig wie eine heiße Kartoffel - was hätte es ihnen genutzt? Und schließlich gaben sie sich dann auch willig selbst jenen Tod und verstanden ihn dabei als eine solche Auf-"Opferung" oder "Selbstopferung", als wie dies zumindest Adolf Hitler schon lange zuvor als sein Ende von Wahrsagern und Horoskopen vorausgesagt worden war. Geheimgesellschaften wie die Freimaurer sprechen dann von - bedauerlichen oder heldenhaften, jedenfalls "gott-" oder "schicksalsgewollten" - "Bauopfern".

So konnten all jene, die mit dem Geschichtsablauf der Jahre 1933 bis 1945 im Großen und Ganzen einverstanden sein konnten, größtenteils sicher sein, daß Leute wie Hitler oder Goebbels sich nicht irgendwann überraschend, unerwartet oder betont kritisch hinterfragend gegen das für sie vorgesehene "Schicksal" auflehnen würden: der Glaube an ein sich vollziehendes, unabänderliches "Schicksal" ist eine mächtige Waffe für Geheimdienste und Hintergrundmächte, wenn diese sie zu nutzen verstehen. Mit diesem Glauben werden Menschen und Völker manipulierbar und "schicksalsergeben" wie selten durch einen anderen Glauben.

Ganz richtig ist dementsprechend auch schon auf dem gegenwärtigen  Wikipedia-Artikel über "psychologische Kriegsführung" die Astrologie und Wahrsagerei als ein wesentliches Instrumentarium genannt, das auch im Zweiten Weltkrieg sowohl von deutscher wie westalliierter Seite eingesetzt worden ist. Allerdings in welchem Umfang, darüber ist wohl eine größere Öffentlichkeit und sind wohl selbst informiertere Historiker bis heute ahnungslos geblieben.

War womöglich - aus der Sicht von Geheimdiensten und -gesellschaften ebenso wie etwa aus der Sicht eines Adolf Hitler - die ganze Geschichte des Dritten Reiches eine Art Zauberflöten-Abenteuer, eine Art Zauberflöten-Bewährung? Nur mit der besonderen Pointe, daß es kein "Happy End" gab? Zumindest nicht für Deutschland und viele andere Teile der Welt?

Das Dritte Reich ein Kasperle-Theater?

Die geradezu burlesken Nebenfiguren zur Hauptfigur der Oper "Zauberflöte", genannt Drittes Reich, scheinen die Herren Rudolf Heß und Heinrich Himmler gespielt zu haben. Es war ja kein geringerer als der "James Bond"-Autor Ian Fleming, Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes, der sehr frühzeitig behauptete, sein Arbeitgeber habe Rudolf Heß 1941 mit Hilfe von getürkten Horoskopen zum Flug nach England verleitet (um sich Stalin gegenüber vor überraschenden Separatfriedensabsichten Hitler gegenüber abzusichern). Auch alle nachfolgenden Forschungen über diesen "Botengang eines Toren" (Rainer F. Schmidt) haben nichts dieser Behauptung Ian Flemings Widersprechendes finden können - eher das Gegenteil.

Der damalige rumänische Botschafter in Deutschland war überzeugt davon, daß Hitler sich von Astrologen beraten ließ. Das rumänische Außenministerium gab diese Information an alle seine Botschaften weltweit weiter. Auch im britischen Geheimdienst gab es Leute, die davon überzeugt gewesen sind. Zumindest der deutschstämmige Astrologe Louis de Wohl, der im Auftrag von Sefton Delmer die Astrologie zur psychologischen Kriegsführung gegen Deutschland auf vielerlei Ebenen benutzen wollte.

Sollte also nicht tatsächlich mit Adolf Hitler ein noch "ernsthafteres" Spiel gespielt worden sein, als mit Rudolf Heß? Sollte er womöglich auf seine "Bahn", auf seinen "Weg" geschickt worden sein und wurde seiner Bahn die bekannte "schlafwandlerische Sicherheit" und Stabilität gegeben mit ähnlich billigen, "lausigen" Mitteln der psychologischen Kriegsführung, wie bei der Nebenfigur Rudolf Heß? Wäre eine solche  Erklärung des "Jahrtausend-Phänomens" Adolf Hitler zu "lausig"? Zu "banal"? Wäre eine solche Geschichte zu sehr unter der menschlichen Würde? Oder gar: Eine Verhöhnung der Opfer? - Verhöhnung? Fragt sich durch wen!

Aber in Bezug auf Rudolf Heß und Heinrich Himmler sind wir diese Groteske doch schon längst bereit hinzunehmen. Himmlers Astrologe Wulff dirigierte doch allzu deutlich und leicht durchschaubar die Kontakte Himmlers zu den Westalliierten 1944/45 (siehe unten), ebenso wie die Astrologen von Rudolf Heß dies 1941 taten. Warum sollte der britische Geheimdienst und warum sollten diverse Geheimgesellschaften wie die Thule- oder Vril-Gesellschaft dann nicht Ähnliches auch in Bezug auf Adolf Hitler selbst versucht haben? Und warum sollten sie dabei nicht erfolgreich gewesen sein? Im November 1939 sagte der vermutete "(Hof-)Astrologe Hitlers" Krafft das Elser-Attentat auf Hitler - als Einstiegs-Voraussage - "eindrucksvoll" voraus. Hitler und Goebbels waren jedenfalls beeindruckt. Sollten solche Voraussagen nicht geeignet gewesen sein, bzw. die Absicht gehabt haben, die vormalige Astrologie-Gläubigkeit Hitlers wieder mal ein wenig "aufzufrischen"?

Wir brauchen in der Bibliothek der Hochschule der Staatssicherheit der DDR in Potsdam keine Dissertation finden zum Thema "Beeinflussung von zu observierenden Personen durch hervorzurufende oder zu verstärkende Wahrsage- und Astrologiegläubigkeit". (Mit einschlägigen Suchworten läßt sich da jedenfalls zunächst nichts finden.) Daß Geheimdienste Handbücher über das diesbezügliche Methodenrepertoire besitzen, erstellen und aktualisieren, liegt einerseits sowohl in der Logik der Sache selbst, als es aus den vielen Details hervorgeht, die im folgenden zu schildern sind, als es daraus hervor geht, daß fast jeder bekannte Geheimdienst ein "okkultes Büro" besitzt oder besessen hat.

Die eingeweihten Eliten, die sich in ihrem okkulten Denken für sehr "gottnah" halten und sich für befugt erachten, im "Auftrag" ihres Gottes oder der von ihnen verehrten "Schicksalsmächte" das Schicksal ganzer Völker und Weltteile gestalten zu dürfen, verachten das "blöde Volk" , das von all dem wieder einmal nichts weiß oder ahnt, und dem man davon auch nur dosiert Mitteilung machen kann, sonst "stört" es "die Wege der Vorsehung". 

Aber allmählich gewinnt der forschende Menschengeist auch ohne solche expliziten Handbücher Einblick in das reichhaltige praktische Wissen, das bezüglich des Ausnutzens von Schicksals- und Astrologie-Gläubigkeit in Geheimgesellschaften und -diensten vorliegt.

Ein neues Buch aus dem Jahr 2011 als Augenöffner

Das 1994 erschienene Buch "Das schwarze Reich" war uns vor einem Jahr ein großer Augenöffner gewesen und hat in der Folge hier auf dem Blog eine ganze Reihe von Beiträgen über elitären Satanismus und über die okkulten Hintergründe des Dritten Reiches nach sich gezogen (GA-j!, 12/2010, 01/2011). Ja, sogar mehrbändige Buchprojekte wurden dadurch angestoßen (siehe "Zwei bedeutende Satanismus- und Okkultismus-Kritiker der 1930er Jahre"). Ein ähnlich grundlegender Augenöffner, der noch ein bischen präziser in die eigentlichen, vermeintlich "harmlosen" Tätigkeiten hinter den verschlossenen Türen von Geheimdiensten und Okkultlogen hineinblicken läßt, ist nun ganz ohne Frage das 2011 erschienene Buch von Stephan Berndt "Hellseher und Astrologen im Dritten Reich" (1). Es ist eine wirkliche Fundgrube zur Astrologie- und Hellseher-Geschichte des Dritten Reiches, die auf 250 der 400 Seiten behandelt wird.

Astrologie und Wahrsagerei werden bislang sicherlich viele - so wie der Autor dieser Zeilen - als eines der unwichtigsten und langweiligsten Themen erachtet haben, die es überhaupt gibt. Aber wenn man anhand der neuen Buchveröffentlichung zur Kenntnis nimmt, daß es rund um die Führer des Dritten Reiches herum von Hellsehern und Astrologen "nur so wimmelte", und um so tiefer man sich in das Thema einarbeitet, auf um so mehr zu bearbeitendes, schlüssig in den Gesamtzusammenhang einzuordnendes Material stößt (2 - 45), um so uferloser einem der Gegenstand mit jedem neuen Hinweis wird, um so leichter durchschaubar und schärfer umrissen wird dabei doch zugleich auch die Erkenntnis, daß diese Thematik einen der grundlegendsten Schlüssel bereithält für das Verständnis des Geschichtsablaufs der Jahre 1933 bis 1945.

In großen Linien ist in Wahrsagungen, Horoskopen und auch rein politischen Prognosen - eines Eric Jan Hanussen, einer Elsbeth Ebertin, eines Bernd Unglaub oder auch von hohen Beamten des britischen Außenministeriums oder von amerikanischen Präsidentenberatern - das Schicksal des Dritten Reiches und Adolf Hitlers und damit Deutschlands "überraschend" korrekt vorausgesehen worden. Insbesondere 1923ff (Elsbeth Ebertin), insbesondere 1933 (Hanussen), insbesondere 1938 (William C. Bullitt), insbesondere 1941 (britisches Foreign Office), insbesondere 1944 (Walter Lippman). Auch in etwas kleinerem Rahmen (etwa die Vorhersage des Elser-Attentats auf Hitler und der Ermordung des rumänischen Faschistenführers im November 1939 durch den Astrologen Krafft) oder in den astrologischen Beratungen Heinrich Himmlers seit 1943 durch den Astrologen Wilhelm Wulff. Die diesbezüglich erstellten astrologischen Ratschläge und Voraussagen müssen auf Hitler, Heß und Himmler - zum Teil auch Goebbels - allmählich wie Suchtmittel gewirkt haben. Wiederholt sind im Zusammenhang mit Kontakten zu Astrologen und Horoskopen insbesondere bei Adolf Hitler deutliche Stimmungsschwankungen überliefert.

Schon der vorliegende Blogbeitrag ertrinkt - während der Auswertung der genannten Buchneuerscheinung (1) - geradezu in der Informationsflut und ist inzwischen auf vier Teile angewachsen. Denn kaum hat man das Buch selbst in einem ersten Durchgang durchgearbeitet, stößt man noch auf zahllose über das Buch selbst hinausgehende Aussagen und Hinweise. Hier der erste aus dem "Spiegel" vom 16. Mai 1988:

Hitler ließ sich häufig die düsteren Voraussagen des Weltuntergangspropheten Nostradamus auslegen. Das brachte den britischen Geheimdienst während des Zweiten Weltkriegs auf den Gedanken, den Kriegsherrn Hitler mit getürkten Weissagungen verunsichern zu wollen.
Also wenn das sogar der "Spiegel" weiß, fragt man sich, warum das nicht schon längst umfangreicher ausgewertet und ausgedeutet worden ist. Weiter heißt es dort auch:
Joseph Goebbels unterhielt in seinem Propagandaministerium eine ganze "Astro"-Abteilung.

Hier wird also ganz das gleiche gesagt, was Ian Fleming von dem Handeln des britischen Geheimdienstes gegenüber Rudolf Heß behauptete. Von der hier erwähnten "Astro"-Abteilung im Propaganda-Ministerium wird im folgenden noch allerhand mitzuteilen sein. Aber inwieweit der britische Geheimdienst seinen Gedanken gegenüber Hitler durchgeführt hat und auf welchen Wegen, dieser Frage wird weder in dieser "Spiegel"-Ausgabe, noch auch explizit genug in der Buchneuerscheinung, die uns auf das Thema bringt, nachgegangen.

Denn das würde ja heißen, daß der britische Geheimdienst nicht nur - wie bekannt und nur in der Logik der Sache liegend - ein "okkultes Büro" besessen hat, sondern daß dieses auch Hellseher-Spezialisten im Umfeld von Adolf Hitler nicht nur gekannt hätte, sondern er es auch - ebenso wie im Fall Heß - für leicht machbar hielt, diese für sich arbeiten zu lassen, sie "infiltrieren" zu können. Und obwohl die neueste Buchveröffentlichung (1) schon so umfassendes Datenmaterial liefert, wie der Datenflut dieses Blogartikels entnommen werden kann, wird diese Thematik darin so gut wie gar nicht behandelt! (Der "Spiegel" hatte 1988 übrigens aus dem Thema Astrologie, Wahrsagerei und Politik einen Hefttitel gemacht aus Anlaß des auffallenden Verhältnisses der damaligen Reagan-Regierung zu diesen Themen. Erneuter Stoff für zahllose Blogbeiträge .... Was möglicherweise auch in Bezug zu setzen wäre zu den Angaben des Mind-control-Opfers Cathy O'Brien und den zahllosen "Geschichten", mit denen es "gesteuert" wurde. Sind denn "Phantasiereisen" nicht nur eine andere Form von Wahrsagungen und können sie in ähnlicher Form für die psychische Steuerung von Menschen benutzt werden?)

"Die Autorität gegenüber der Macht"

Im Jahr 1955 erschien in Frankreich ein Buch, dessen Untertitel auf Deutsch lautete "Die Autorität gegenüber der Macht". In ihm wurde der Gedanke behandelt, daß über den Menschen, die "Macht" besäßen, noch Menschen vorhanden seien, die über „Autorität“ verfügten. Und diese Menschen mit "Autorität" würden im Sinne einer internationalen, "imperialen", "revolutionären" Geheimbewegung arbeiten, die sich "Synarchie" nennen würde. So auch der Titel dieses Buches von 1955. Aber in welcher Form könnten Menschen mit "Autorität" ganz konkret Menschen mit "Macht" dorthin leiten, wohin sie sie haben wollen?

Nun, eines der einfachsten Mittel dafür ist die Astrologie. Stephan Berndt beschreibt in seinem neuen Buch sehr detailliert, wie jene genannten Personen mit "Autorität" jene Menschen mit "Macht" das zu tun veranlassen können, was man von ihnen wünscht.

Schon in meiner Magisterarbeit aus dem Jahr 1995 über die britische Kriegszielpolitik gegenüber Deutschland seit 1940 (Bading, 1995) stellte ich ein Dokument des britischen Foreign Office aus dem November 1941 in den Mittelpunkt, das den Verlauf des Krieges bis 1945 in Form einer (rein politischen) Voraussicht genau so voraussage, insbesondere sein Ende, wie es sich dann auch ergeben hat.

Und schon hierbei dämmert es einem, daß man viele Menschen dazu bringen kann, in einem bestimmten Sinne zu planen, Handlungen vorzubereiten und dann zu handeln, wenn man ihnen einfach die Meinung einflößt, daß die Entwicklung "sowieso" so und so verlaufen würde, wie man sie ihnen voraussagt, auch zunächst noch ganz ohne okkulte Begleitmusik. In diesem Zusammenhang wird übrigens auch die dubiose Wissenschaft von der "Geopolitik" des Karl Haushofer und ihre "unabhänderlichen Gesetzmäßigkeiten"  ihre ganz eigene Rolle gespielt haben und zum Teil noch spielen.

Das Wesentliche und Neue des Buches von Stephan Berndt (1) ist: Aus der Zusammenschau so vieler unterschiedlicher Quellen, Augenzeugenberichte und historischer Untersuchungen, die über die vielen letzten Jahrzehnte hinweg nach und nach bekannt geworden sind, erarbeitet worden sind und immer wieder neu überprüft worden sind, ergibt sich ein ganz anderes, viel zuverlässigeres Bild, als aus den vielen verstreuten Einzelmitteilungen selbst, auf die man "da oder dort" einmal stößt, und die man jeweils so isoliert für sich nur "verwundert" und mit vielen Zweifeln zur Kenntnis genommen hatte und auch nur nehmen konnte. Im folgenden werden einfach chronologisch die wichtigsten Angaben aus dem Buch von Stephan Berndt zusammengestellt und nach und nach ergänzt durch das, was uns bei den Recherchen zusätzlich noch bekannt geworden ist, was uns noch in Erinnerung war aus anderweitigen Recherchen und Lektüren und was wir uns aufgrund der Literaturangaben von Stephan Berndt noch selbst genauer erarbeiten, als dies Stephan Berndt selbst getan hat.

1907 und 1908 - Hitlers vielfältige okkulte Interessen

Stephan Berndt schreibt (1, S. 161):

Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam in Deutschland ein Buch auf den Markt, in dem ein angeblicher Jugendfreund Hitlers lang und breit darüber berichtete, wie Hitler sich in Wien in den Jahren 1907 und 1908 mit okkulter Literatur eindeckte und seinen angeblichen Jugendfreund mit Diskussionen über okkulter Themen nervte.
Es handelt sich um das Buch von Josef Greiner (1886-1950er Jahre) (Wiki). Wie Berndt dann weiter ausführt, wurde das Buch einerseits von der Zensurbehörde eingestampft (man kann es allerdings im Internet-Antiquariat recht gut erhalten) und andererseits in Veröffentlichungen als unseriös und lügnerisch hingestellt. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde aufgezeigt, daß viele Angaben in dem Buch durch unabhängige historische Belege als richtig überprüft werden konnten. Etwa das behauptete gemeinsame Wohnen in einem Wiener Männerwohnheim. Und nachdem man Berndts lange Reihe von vorgelegten Belegen für okkulte Interessen Hitlers seit 1918 zur Kenntnis genommen hat, erscheint einem nichts wahrscheinlicher, als daß die wesentlichsten Angaben dieses Josef Greiner zu diesem Gebiet einfach stimmen werden. Wie so oft! Wenn man also nach der Kenntnisnahme der Angaben Berndts über Hitlers Lebenszeit nach 1918 nun auch die Angaben des Greiner für die Zeit vor 1914 für glaubwürdig hält, geht man mit den Angaben Greiners nur so um, wie dies auch bspw. Werner Maser in seiner Hitler-Biographie mit den Angaben Greiners getan hat. Maser stützte sich auf diese nur, wenn diese Angaben zugleich auch durch anderweitige Angaben bestätigt worden waren.

Soweit übersehbar, sind die Angaben zu Hitlers okkulten Interessen enthalten auf (nur) acht Seiten dieses 340 Seiten umfassenden Buches (S. 86 - 94). Im folgenden einige Auszüge daraus (der Sperrdruck des Originals ist in den Zitaten im Fettdruck wiedergegeben):
Hitler zerbrach sich auch den Kopf über das Fakir- und Yogatum in Indien. (...) Er verglich die Fakire mit den Heiligen der katholischen Kirche, die gleichfalls durch konsequente Bußübungen in Ekstase gerieten und in diesem Zustand Wunder wirkten. Er verwies dabei auf die Verzückungen der Katharina Emmerich, welche die Passionsgeschichte Jesu in allen Phasen schaute und dabei Blut schwitzte.
Das wären klare Hinweise von Wundergläubigkeit auf Seiten dieses Adolf Hitler:
Hitler setzte nicht den geringsten Zweifel in die Wahrheit der Berichte, daß Fakire ihr Herz zum Stillstand bringen konnten etc. 
Man fragt sich: Warum sollte sich Greiner solche Geschichten ausgedacht haben? Sie klingen doch sehr authentisch. Und weiter:
Da zur damaligen Zeit in Wien mehrere öffentliche Vorträge über Okkultismus gehalten wurden, besuchte sie Hitler.
- diese müßte man doch historisch belegen können? -
Er gelangte durch sie auf das Gebiet der Telekinese, der Berührung von Gegenständen aus der Ferne. Er verschaffte sich Zutritt zu solchen Kreisen in der Absicht, einen etwaigen Betrug rücksichtslos aufzudecken. Doch er kam staunend von derlei Sitzungen nach Hause und konnte sich die Vorgänge nicht enträtseln, deren Zeuge er war. Er berichtete, daß beim Erscheinen des Mediums eine Wasserflasche und ein Trinkglas vorerst in heftige Bewegungen gerieten und dann vom Tische fielen, obwohl der Tisch selbst am Boden befestigt war.
Um sich derartige Dinge zu erklären, probierte er selbst im Wienerwald das Wünschelrutengehen aus. Weiter:
Auch der Graphologie (...) brachte Hitler großes Interesse entgegen. Seine Liebe galt aber zweifellos der Astrologie. Er war immer bemüht, aus der Sterndeutung seine Zukunft zu erforschen. (...) daß sich Hitler fast unausgesetzt mit dem Okkultismus und mit der Astrologie abgab. Gerade auf diesem Gebiete bedrängte er mich, nach der Lektüre aller nur verfügbaren Bücher, ständig mit Fragen nach meiner Meinung oder wie er es anstellen sollte, aus diesen Geheimlehren praktischen Nutzen und Erfolg zu erzielen. (...)
Heute glaube ich, gerade bei diesen Geheimlehren etwas länger verweilen zu müssen, da gewisse Anzeichen im späteren Leben Hitlers dafür sprechen, daß er besonders auf die Astrologie wie auf ein Glaubensmysterium blind baute. (...)
(!!!)
Hitler beharrte bei der Erklärung astrologischer Phänomene auf dem Standpunkt, daß kosmische Einflüsse auf die Psyche des Neugeborenen einwirken und sein ganzes weiteres Leben beeinflussen. (...)
Belehrung ließ ich Hitler nur auf dem Gebiet der Zahlenmystik zuteil werden. (...) Er wollte hinter die Geheimnisse der Zahlen wie hinter jene der Sterne kommen, da er in ihnen eine Wunderkraft vermutete, deren Kenntnis ihm die Beherrschung der Natur und der Menscheheit zu verheißen schien. Wie die Gnostiker aller Religionen wollte er die Geheimnisse der 3, 7, 9, 13 etc. ergründen und war auf die Zahlen 23 und 28 eingeschworen, die mit der Umlaufzeit des Mondes und mit der Mensis des Weibes in engem Zusammenhang stehen sollen. Auch dem System der Quadratur, aus dem das Hakenkreuz abzuleiten ist, widmete er als Zeichner große Aufmerksamkeit. (...)

Hitler befaßte sich emsig mit der Hypnose, dem Vorahnungsvermögen und dem Zweiten Gesicht. (...)
Der natürliche Somnambulismus, der sogenannte Schlafwandel, erweckte gleichfalls Hitlers größtes Interesse. Er wollte Personen, die in derartige Zustände verfallen, unbedingt kennenlernen. Ob ihm dies einmal gelang und mit welchem Erfolg, blieb mir unbekannt. Ich konnte ihm jedenfalls die Frage nicht beantworten, was in der Seele eines Menschen vorgeht, der sich in diesem Zustand befindet und der schlafwandeln sich aus dem Fenster eines hohen Stockwerks schwingt, an kleinen Mauervorsprüngen hochklettert und über Dächer schreiten kann, als dürfte das Gesetz der Schwere für ihn bis zum tödlichen Anruf überhaupt nicht existieren. Auch die Fähigkeit, im somnambulen Zustand verschlossene Briefe zu lesen und hellzusehen, beziehungsweise die somnambule Schrift, die mit unseren Schriftzeichen nichts gemein hat und nur von Somnambulen gelesen werden kann, studierte Hitler, ohne wahrscheinlich in die Tiefe dieser Phänomene weiter eingedrungen zu sein.

Soweit Hitlers Jugendfreund Greiner. Daß bei einer solchen Fülle von okkulten Interessen durchaus auch ein Interesse an der magischen Bedeutung des "Speeres des Schicksals" bestanden haben könnte, wie dies Trevor Ravenscroft laut der Angaben des Okkultismus-Beraters von Winston Churchill, des Steiner-Freundes Walter Johannes Stein behauptet (GA-j!, 04.03., 22.4., 29.4., 30.4.2011), klingt angesichts dieser Angaben insgesamt keineswegs mehr so unseriös, wie einem das bis dato geklungen hatte und hatte klingen müssen. Es erscheint einem plausibel, daß der Informant Ravenscroft's, Stein, bei seinen Angaben wohl durchaus auf ähnliches Wissen zurückgegriffen hat, wie überhaupt das okkulte Büro des britischen Geheimdienstes über die okkulten Interessen Hitlers. Ein solches "okkultes Büro" wird ja wohl über die Stärken und Schwächen dieses wichtigen Staatsführers von allen Seiten viele Erkundigungen und Einschätzungen eingeholt haben.

Trevor Ravenscroft der "nützliche Idiot" von Walter Johannes Stein

Um so mehr man aber nun das neue Buch von Stephan Berndt liest und es abgleicht mit der dort zitierten Literatur, um so weniger "abstrus" erscheinen einem nun sogar die vielen "sonderbaren" Mitteilungen des Buches "Der Speer des Schicksals" von Trevor Ravenscroft, das wir hier auf dem Blog ja - anfangs ziemlich angeekelt - studiert hatten. 

Auch dieser Ravenscroft kann ja sehr leicht als in höchsten Grade unseriös bezeichnet werden. Aber das Witzige ist doch: Das ist doch ganz klar so gewollt, daß die Inhalte dieses Buches in den Augen von Nicht- bzw. Anti-Okkultisten nur als hochgradig unseriös erscheinen. Das ist doch auch wieder eine "Maske", eine Tarnung. Die Geschichte des Dritten Reiches wird hinter "tausend Masken" verborgen. Wobei es Trevor Ravenscroft - wie so vielen - keineswegs bewußt gewesen zu sein braucht, daß er selbst und seine Okkultgläubigkeit als Maske "benutzt" worden ist. Denn ganz offensichtlich besaß ja doch der Informant von Trevor Ravenscroft - der Churchill-Berater Walter Johannes Stein - ein Insiderwissen, wie es auch im britischen Geheimdienst wird vorgelegen haben und wie darin mancherlei Einblicke gegeben werden von Seiten des als seriös geltenden ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiters Ellic Howe (siehe unten). Walter Johannes Stein hat es nur - im Gegensatz zu Howe - für angemessen gehalten, sein Wissen nach seinem Tod einen "nützlichen Idioten", einen okkultgläubigen Dritten der Öffentlichkeit übermitteln zu lassen. Daß Walter Johannes Stein die okkulte Ideologie, in die er die  Angaben für Ravenscroft eingebettet hatte (Reinkarnation, Fernwahrnehmung etc.), selbst geglaubt hat - zumindest in dem Umfang - erscheint doch sehr fragwürdig. Er hat ihm gegenüber einfach selbst wie ein Hellseher, ein Reinkarnierter, ein Fernwahrnehmer getan. Und der "nützliche Idiot" Ravenscroft und all seine begeisterten Leser gehen ihm bis heute darin auf den Leim und die Anti-Okkultisten schmeißen ihn in den Parpierkorb. Das hat vielerlei Vorteile, weil dadurch zwischen Okkultgläubigen und Anti-Okkultisten ein für Geheimdienste und -gesellschaften immer so wertvolles "Wissensgefälle" entsteht. Okkultgläubige können sich ganz elitär als etwas "Besonderes", als "eingeweiht" empfinden, weil sie in der Tat mehr wissen, als Anti-Okkultisten, dabei allerdings auch stärker verblödet sind als die anderen. Denn: Die in die okkulte Rahmen-Ideologie des Ravenscroft eingebetteten Mitteilungen könnten - ebenso wie die Angaben Josef Greiner's - historisch stimmig sein!

1919 bis 1921 - Astrologen und Sterndeuter bei Dietrich Eckart

(Einfügung 14.5.2013): Alfred Rosenberg, einer der späteren romkritischen, religiösen Vordenker der NSDAP, hat eine kleine Biographie über Dietrich Eckart geschrieben, von dem er 1921 die Redaktion des "Völkischen Beobachters" übernahm. Buchautor Stephan Berndt weist den Blogautor nun auf seinen Fund im Bundesarchiv Berlin hin, aus dem im folgenden mit Dank zitiert werden soll. Es handelt sich nach Auskunft von Berndt um Manuskriptteile zu dieser Biographie, die - aus welchen Gründen auch immer - damals nicht veröffentlicht worden sind. In diesen heißt es über die Jahre 1919 bis 1921 unter anderem:
Dietrich Eckarts Wohnung wurde in diesen und in den nun kommenden Zeiten zu einem Zentrum, in dem sich Freicorps-Offiziere, schwärmerische Dichter, Phantasten und Propheten aus ganz Deutschland zusammenfanden. Menschen oft komischer und doch wieder bedauernswerter Art, Männer, die nach dem Kriege keine Ruhe mehr finden konnten, politische Scharlatane, aber auch eine ganze Reihe ernster, forschender Männer, die an den Zuständen in Deutschland litten und das ihre zur Befreiung beitragen wollten. (...) Aus dieser ganzen Schar, die in meiner Erinnerung vorhanden ist, seien einige Beispiele genannt. Da war ein Schriftsteller, der sich Ellegaard Ellerbek nannte (...). 
Zu Ellegaard Ellerbek macht Berndt noch interessante Anmerkungen, die in anderem Zusammenhang zu behandeln wären (nämlich, daß Ellerbek wie Eckart eine deutsch-jüdische Symbiose befürworten würden. Was übrigens gut zu okkultem Denken passen würde, das sich auch in anderen Kreisen völkischer Okkultlogen findet.) Weiter:
Neben Ellerbek kam dann ein Mediziner ständig (!) zu Eckart, voll von astrologischen und Wahrsagerideen. Eigentlich ein Augenarzt, der über seinen ganzen Tag damit hinbrachte, aus den Runennamen zu lesen und den neuen astrologischen Kalender zu studieren, um nun aus diesem Sammelsurium von Runenzeichen und Sterndeuterei politische Ratschläge zu geben.
Es könnte sich bei diesem Augenarzt natürlich um einen jener Astrologen handeln, die im folgenden noch näher behandelt werden. Stephan Berndt meint allerdings dazu, es müßte sich um einen Rudolf Tischner handeln, einen seinerzeit bekannten Münchener Parapsychologen. (Dieser wäre wiederum eine neue Spur und für den vorliegenden Beitrag noch genauer zu recherchieren.) Rosenberg (nach Berndt) weiter:
Ein anderer Sternsucher tauchte auf, ebenfalls voller Wahrsagerei. Er erklärte: "Helfen Sie mir dazu, nur einen Tag Diktator in Deutschland zu sein und das deutsche Volk wäre gerettet."
Das könnte gut und gerne "Weishaar" gewesen sein, der damalige Gründer des "Bundes der Guten", jener norddeutschen Okkultloge, die parallel zum süddeutschen Thule-Orden (gegründet vom Astrologen  Sebottendorf) gegründet worden war. Rosenberg weiter:
So lächerlich diese Figuren alle waren, sie waren doch ein Zeichen für einen furchtbaren inneren Umbruch innerhalb des deutschen Volkes, Märzerscheinungen (Anspielung auf die Deutsche Revolution 1848/49, die im März 1848 begann) einer gesunden Reaktion gegen eine muffige Vergangenheit, die man einfach nicht mehr wollte, eine krankhaft gewordene Äußerung von Somnambulen (Schlafwandler, Mondsüchtiger), die in der nationalsozialistischen Bewegung in gesundem Geist später zum Siege kam.

Neben diesen Phantasten und Schwärmern tauchten dann die Freicorps-Soldaten und Offiziere auf, Männer, die den Annaberg gestürmt hatten oder in Mitteldeutschland gegen die Kommunisten kämpften.
(Für genaue Quellennachweise bleiben künftige Veröffentlichungen von Stephan Berndt abzuwarten.) Diese geradezu "verständnisvollen" Bewertungen sind übrigens typisch für Alfred Rosenberg. Obwohl er, wie wir noch sehen werden, in den späten 1930er Jahren zu jenen gehören wird, die die Astrologie innerhalb der NSDAP am stärksten ablehnten und bekämpften, bringt er ihr doch vergleichsweise viel Verständnis entgegen. So ähnlich verhielt er sich ja bis an sein Lebensende auch gegenüber den romfreundlichen Verhaltensweisen Adolf Hitlers, die oft sogar zu seinem, Rosenbergs, eigenem persönlichen Schaden beitrugen, und denen er in seinen Memoiren dennoch "Verständnis" entgegenbringt.

Die Geburt der Hitler-Bewegung aus dem Geist der Astrologie (1919 - 1933) - Mindestens drei Astrologen standen an ihrer Wiege Pate

Es ist überraschend, was der britische Geheimdienstmann und Buchautor Ellic Howe schon in früheren Jahrzehnten (allerdings bis 1995 nur in englischer Sprache) über die Frühgeschichte der NSDAP geschrieben hat, und was einem erst durch die Buchveröffentlichung von Stephan Berndt und den Abgleich seiner Angaben mit der von ihm benutzten Literatur bewußt gemacht wird: An der Wiege der NSDAP und ihrer Parteizeitung "Völkischer Beobachter" standen schlicht und einfach: Astrologen!

Und nicht nur das! Nur im geringen Abstand zur Wiege der NSDAP stand nicht nur ein weiterer Astrologe, sondern zugleich ein Schüler und Sekretär eines der frühesten deutschen Satanisten und Anthroposophen, nämlich ein Schüler von  Franz Hartmann (1838 - 1912). Dieser Schüler und Sekretär mit Namen Hugo Vollrath (s. Howe, S. 112) sollte während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als niemand geringerer denn als der Begründer und bedeutendste Vertreter einer modernen, sich "seriös" und "wissenschaftsnah" gebenden Astrologie in Deutschland gelten. Es war vor allem ein Streit mit Hugo Vollrath, der Rudolf Steiner veranlaßte, sich 1912 mit einer "Anthroposophischen Gesellschaft" von der übrigen theosophischen Bewegung abzuspalten.

Schon 1914 sammelten sich um Vollrath und andere eine "Gesellschaft deutscher Astrologen", die die "Astrologische Rundschau" herausgaben (Howe, S. 116):
Sie wurde schließlich eigenständig und die bedeutensten Astrologiezeitschrift Deutschlands, bis sie 1938 von den Nazis verboten wurde.
Abb. 2: Astrologe Sebottendorff
Und wer wurde im Herbst 1920 Chefredakteur dieser bedeutendsten Astrologiezeitschrift Deutschlands? Niemand geringerer als Rudolf von Sebottendorff, der arbeitslos geworden war, nachdem er den "Völkischen Beobachter" an Adolf Hitler verkauft hatte (Howe, S. 120f):
Wenige Wochen vor Abschluß der Verhandlungen über den Transfer des Völkischen Beobachters taucht von Sebottendorff als Redakteur der Astrologischen Rundschau auf. Für kurze Zeit wird er einer der produktivsten und meistgelesensten astrologischen Autoren Deutschlands. In den nächsten Jahren schrieb und editierte er ein halbes Dutzend Bücher für die "Astrologische Bibliothek" Vollraths sowie eine deutsche Übersetzung von Max Heindels "The Message of the Stars", die in den USA beachtlichen Erfolg hatte. Seine "Geschichte der Astrologie" von 1923 zeigt seine Bewunderung für Guido von List (1848 - 1919) und G. Lanz von Liebenfels (1874 - 1954), die deutlichen Einfluß auf gewisse Aspekte der nationalsozialistischen Rassenideologie hatten. Während der Name des Freiherrn sich in deutschen Astrologie-Kreisen herumsprach, lebte und arbeitete er in strikter Abgeschiedenheit und ging allen persönlichen Kontakten aus dem Weg. So berichteten es mir Veteranen der deutschen Astrologie-Bewegung wie Dr. Mrsic und Wilhelm Wulff, daß sie ihn nie zu Gesicht bekommen hätten. 1923 kehrte er in die Türkei zurück.
Aber was geschah womöglich, bevor der Herr von Sebottendorff in die Türkei zurückkehrte? Der gut informierte deutschstämmige, katholische Astrologe der Churchill-Regierung und des britischen Geheimdienstes während des Zweiten Weltkrieges Lajos Wohl (genannt Ludwig von Wohl, bzw. Louis de Wohl) schreibt in seinem Buch "Sterne Krieg und Frieden - Astrologische Erfahrungen und Praktische Anleitung" von 1951 (n. Howe, S. 276):
Es sei Rudolf Freiherr von Sebottendorff gewesen, der Hitler vor seinem Putschversuch im November 1923 gewarnt habe. Rudolf Heß habe Hitler im Landsberger Gefängnis an Sebottendorffs Vorhersage erinnert. Daraufhin habe Hitler Astrologie zu studieren begonnen und beschlossen, in Zukunft astrologische Sachverständige hinzuzuziehen.
Ellic Howe verweist darauf, daß auch die Astrologin Ebertin Hitler "gewarnt" habe. Warum das aber ausschließen sollte, daß Sebottendorff dies auch getan haben sollte, sagt er nicht. Schließlich ist ja auch im Zusammenhang mit der Ebertin von mehreren Astrologen die Rede, die Hitler "gewarnt" haben sollten. Da würde der in astrologischen Kreisen prominente Sebottendorff natürlich bestens hineinpassen. Auch dafür, daß Hitler nach 1924 häufiger "astrologische Sachverständige" hinzuzog, werden wir noch Belege anzuführen haben. Nicht nur die Ebertin sollte dazugehören, sondern schließlich auch der berühmte Hanussen.

Und auch die kurzzeitige Wiederkehr des Herrn von Sebottendorff aus der Türkei im Jahr 1933 mutet geradezu so an, als wollte er sich irgendwie als einen "Ersatzmann", eine Ergänzung oder als eine Alternative zu Hellseher Eric Jan Hanussen bei Hitler andienen. Ähnlich wie das ja auch im Umkreis des Astrologen Wilhelm Wulff erörtert worden ist, daß da nach dem Tod von Hanussen eine Stelle frei geworden wäre (siehe unten). Aber Sebottendorffs Buch "Bevor Hitler kam" wurde verboten, Sebottendorff 1934 von den Nazis eingesperrt und in die Türkei abgeschoben.

- Aber was für eine Sensation, diese Mitteilungen von Ellic Howe, die Ellic Howe selbst - wie so oft bei ihm - gar nicht richtig auswertet, gar nicht ausreichend betont! Sie lassen einen zu keinem geringeren Schluß kommen, als zu der Aussage: "Die Geburt der NSDAP aus dem Geist der Astrologie". Denn der zweite Mensch, der seine Anteile am "Völkischen Beobachter" im Herbst 1920 an Adolf Hitler verkaufte, war, nun - - - ebenfalls ein Astrologe! 

Dieser wird in den Memoiren von Walter Schellenberg (1910 - 1952) erwähnt, als er erzählt, wie er das erste mal etwas über Hitlers Judenhaß erfahren hätte (zit. n. 1, S. 209):
Ich diskutierte dies verschiedentlich mit Dr. Gutberlet  (...), der zu Hitlers engstem Kreis gehörte.
Dies ist nach der englischsprachigen Ausgabe dieser Memoiren zitiert. In der deutschsprachigen Ausgabe von 1979 heißt es immer noch so krude wie in der ersten von 1956 (S. 97):
Über Hitlers Judenhaß hatte ich einmal Anfang der dreißiger Jahre mit einem älteren Corpsbruder, dem Arzt Dr. G., in München gesprochen. Diese Unterhaltung vermittelte mir eine erste Vorstellung, wie weit Hitlers einseitiger Fanatismus auf diesem Gebiet schon damals ging. Dr. G. war Anhänger des sogenannten "siderischen Pendels", einer Kunst, die ihn angeblich  befähigte, aus einer Anzahl Personen Juden und jüdische Mischlinge mühelos herauspendeln zu können. Hitler, so sagte er, habe ihm bereits zahlreiche solcher Aufträge erteilt. 
Hitler hat also diesem Gutberlet zwischen 1920 und 1930 zahlreiche solcher Pendel-Aufträge erteilt. Und das sagt ja nicht irgendwer. Das sagt der letzte Geheimdienstchef des Deutschen Reiches unter Adolf Hitler, Walter Schellenberg. Schellenberg gehörte um 1930 zum "Corps Guestphalia Marburg". Schellenberg selbst ist erst im Frühjahr 1933 mit 23 Jahren Mitglied der NSDAP und der SS geworden. Dr. med. Wilhelm Gutberlet (1870 - 1933) starb schon am 24. August 1933 mit 63 Jahren.

Sollte es nicht eigentlich der Umstand einiges Interesse auf sich ziehen, daß schon der 20-jährige Schellenberg "verschiedentlich" mit einem Menschen diskutierte, "der zu Hitlers engstem Kreis gehörte" und von ihm Pendelaufträge entgegenahm? Das legt ja mehr als nahe, daß Wilhelm Gutberlet auch zu jenen Personen gehört haben konnte, die die steile Geheimdienstkarriere des Walter Schellenberg gefördert, wenn nicht überhaupt veranlaßt haben.

Abb. 2: Der Zeitzeuge Walter Schellenberg in Nürnberg 1947 in der hinteren Reihe zwischen (links) Otto Dietrich und G. Berger und (rechts) Graf Schwerin von Krosigk (in der Reihe vor ihm als zweiter von rechts Wilhelm Keppler) (Wiki)
Aber um sich darüber überhaupt Gedanken machen zu können, muß man offenbar bis heute die englische Ausgabe der Aufzeichnungen von Schellenberg lesen. Obwohl die handschriftlichen Manuskripte zu Schellenbergs Memoiren im Archiv des "Instituts für Zeitgeschichte" in München deponiert sind (1956, S. 22; pdf), machen auch die deutschsprachigen Folgeauflagen dieser Memoiren aus den Jahren 1979 und 1981 nicht den Eindruck, als ob sich jemand die Mühe gemacht hätte, diese Stelle - und damit sicherlich zahlreiche andere zweifelhafte Stellen - mit den originalen Aufzeichnungen Schellenbergs zu vergleichen. Z.B. hier zumindest einmal den Familiennamen des Gutberlet zu vervollständigen. Ein wissenschaftlich-kritische Ausgabe der Memoiren von Schellenberg scheint also ein dringendes Desiderat zu sein.

Gutberlet nun war schon Zuhörer der ersten öffentlichen Rede Adolf Hitlers am 16. Oktober 1919 im Münchner Hofbräuhaus gewesen. Da er im Oktober 1920 der NSDAP Geschäftsanteile am "Völkischen Beobachter" übertrug, der sich damals noch mehrheitlich im Besitz von Rudolf von Sebottendorff befand, der diese ebenfalls wenig später an die NSDAP übertrug, ist es - auch angesichts der gleichartigen okkulten Interessen beider - nur folgerichtig, daß Gutberlet wie Hitler in "Bevor Hitler kam" von dem Astrologen Rudolf von Sebottendorff als "Gast der Thule-Gesellschaft" angeführt wird. Rudolf Heß wird dabei übrigens schon als festes Mitglied angeführt.

Nach den oben zitierten Ausführungen von Howe ist es im Grunde merkwürdig, daß Berndt nicht auch selbst stärker auf den astrologie-gläubigen Rudolf von Sebottendorff fokussiert, der ja nun in der Frühgeschichte der NSDAP nicht gerade eine geringe Rolle gespielt hat. Auch an dieser Stelle wird wieder deutlich: Anhänger und Praktizierende des Okkulten fühlten sich nicht nur von der Freimaurerei angezogen, sondern auch von dem von der Freimaurerei abgespaltenen Germanen-Orden und den aus ihnen hervorgegangenen völkischen Freimaurerlogen, genannt: "Thule-Gesellschaft" (in Süddeutschland), "Bund der Guten" und "Skaldenorden" (in Norddeutschland). (Geistiges Oberhaupt all dieser war unter anderem der "ausgetretenen" Hochgradfreimaurer Paul Köthner.) Werden Freimaurerei und Okkultlogen nicht überhaupt das eigentliche Sammelbecken gewesen sein für die "moderne Astrologie" in Deutschland und weltweit? Hier vor allem ist doch der Humus vorhanden, auf dem diese Astrologie am besten gedeihen kann. Und dementsprechend ist ja gerade auch aus ihnen heraus von so manchem astrologischen "Skandal" diesbezüglich zu hören (siehe unten).

8. Aufl.(2003),1.(1975)
Im Mai 1931 jedenfalls steht Gutberlet auf einer Liste von astrologisch versierten Medizinern der deutschen Astrologie-Zeitschrift an oberster Stelle. Im gleichen Jahr ist Gutberlet der Gemeinschaft von Pendelforschern beigetreten und hat deshalb eine staatspolizeiliche Verwarnung erhalten (1, S. 210). Das hinderte ihn aber keineswegs daran, wie Walter Schellenberg berichtet, sich von Hitler mehrfach beauftragen zu lassen, die jüdische Abstammung bestimmter Personen in seinem Umfeld auszupendeln. Warum wohl nicht auch des jüdischstämmigen Hellsehers Eric Jan Hanussen, der sich den Nationalsozialisten als "Däne" angedient hätte, und der 1933 - offenbar im Auftrag Hitlers - ermordet worden ist (siehe 2. Teil)? Wenn Hitler schon in so kleinem Rahmen okkulte Dienste in Anspruch genommen hat, sollte er da bei viel gewichtigeren personellen und politischen Entscheidungen nicht ebenfalls derartige Dienste in Anspruch genommen haben?

(Am Rande sei bemerkt, daß der 1966 geborene Buchautor Bernd Ingmar Gutberlet gut und gerne ein Enkelsohn oder anderer Verwandter von Wilhelm Gutberlet sein könnte, wenn man sich manche seiner Buchtitel - etwa über den Mayakalender - ansieht.)

Aber damit ist die heute schon bekannte Reihe der ariosophisch inspirierten Astrologen in der nächsten Umgebung Adolf Hitlers immer noch nicht zu Ende. In der Astrologen-Zeitschrift "Meridian" wurde schon 1988 von dem Astrologen Lorenz Mesch aus Lochham (Oberbayern) berichtet,
der nach eigenen Angaben mit Hitler schon 1919 in vielfache persönliche Beziehungen kam.
Zu ihm soll im zweiten Teil noch mehr mitgeteilt werden. Jedenfalls: Angesichts der einflußreichen Okkult-Praktizierenden in der engsten Nähe zu Adolf Hitler schon während der Gründungsphase der Thule-Gesellschaft, des "Völkischen Beobachters" und der NSDAP mutet nun auch die Angabe weniger unwahrscheinlich an, daß auch der Hellseher Eric Jan Hanussen - wie Paul Köthner - schon bei der Gründung des Germanen-Ordens (vor 1914) und dann bei der Thule-Gesellschaft 1917 eine Rolle gespielt haben soll und dann in den 1920er Jahren - nach der Angabe Otto Strassers - Hitler im Reden geschult haben soll (auch dazu mehr weiter unten).

1921 - 1923: Hitler, der Parapsychologe Albert von Schrenck-Notzing, dessen Sekretärin, die Astrologin Gerda Walther und die "Kriminaltelepathie"

Von Ende 1921 bis Anfang 1923 führten die Parapsychologen Albert Freiherr von Schrenck-Notzing und Carl du Prel zahlreiche "Seancen" in München durch (1, S. 177), die viele ähnliche Inhalte hatten, wie sie auch in "Der Speer des Schicksals" als Rituale und Experimente der Thule-Gesellschaft geschildert werden. Aber mehr noch: Carl du Prel gilt als einer der wichtigsten Vertreter der "Kriminaltelepathie" (Uwe Schellinger 2009), also genau jener Technik, die nach Walter Johannes Stein angeblich Rudolf Steiner angewendet haben will, um die in "Speer des Schicksals" geschilderten satanistischen Rituale und Ritualmorde beobachtet zu haben, die Hitler, Haushofer, Eckart und andere 1921 bis 1923 im Thule-Orden begangen haben sollen. Carl du Prel hat die Kriminaltelepathie schon seit 1889 öffentlich vertreten unter dem Titel "Somnambulismus und Polizeiwissenschaft". Laut Joseph Greiner soll sich Adolf Hitler ebenfalls schon vor 1914 mit vielen Fragen rund um den Somnambulismus beschäftigt haben (siehe oben). Da die Kriminaltelepathie Technik in der Weimarer Republik breit in der Öffentlichkeit, in Ärzte-, Justiz- und Polizeikreisen erörtert worden ist (vgl. U. Schellinger 2009), also in breiteren Kreisen ernst genommen wurde, als heute bekannt und bewußt, bekommt man immer mehr Wissen an die Hand, um das Buch "Speer des Schicksals" historisch richtig einordnen zu können. 

Auch der Astrologe Wilhelm Wulff will mit seinen Horoskop-Deutungen in den 1920er Jahren vor allem Verbrechensaufklärung betrieben haben, wie er in seinem Buch "Tierkreis und Hakenkreuz" berichtet.

Henriette von Schirach (1913 - 1992) jedenfalls, die sich schon als 8-Jährige im persönlichen Umfeld von Adolf Hitler bewegte, erwähnt im Konzept zu ihren Erinnerungen "Der Preis der Herrlichkeit", Hitler hätte diese Seancen von Albert Freiherr von Schrenck-Notzing besucht (1, S. 177). Auch von Rudolf Heß wird dies berichtet (1, S. 178). Heinrich Himmler hinwiederum las im Januar/Februar 1923 das Buch des Carl du Prel "Der Spiritismus" und notierte sich als Leseergebnis nicht weniger als den folgenden Satz (zit. n. 1, S. 179):
Ein wissenschaftliches Werkchen auf philosophischer Grundlage, das mich wirklich an den Spiritismus glauben läßt und mich erst richtig in denselben eingeführt hat.
Man war sich also offenbar wieder einmal einig unter den braunen Genossen. Und es drängt sich die Frage auf, wie eigentlich die Gestapo ab 1933 die Technik der "Kriminaltelepathie" angewandt hat. Und sofort kommt einem in Erinnerung die spiritistische Sitzung im Nachbarzimmer jenes Raumes, in dem General von Fritsch 1938 über seine unterstellte Homosexualität vernommen worden ist.

Die damalige Sekretärin von Schrenck-Notzing, die "in internationalen parapsychologischen Kreisen bekannte" Gerda Walther (1897 - 1977), war - ebenfalls!, nun: Astrologin. Und sie hatte Vorträge in der "Deutschen Gesellschaft für wissenschaftlichen Okkultismus" gehalten, die noch 1939 bis mindestens 1942 Einfluß nehmen sollte auf die NS-Politik, und in der sie viele Freunde hatte. Walther veröffentlichte schon 1950/51 einen dreiteiligen Aufsatz mit dem Titel "Okkultismus im Dritten Reich" und 1960 eine 700-seitige Autobiographie. Auf dieser Grundlage berichtete Howe, daß Walther im Zuge der "Aktion Heß" am 9. Juni 1941 (mit vielen anderen Astrologen, siehe unten) festgenommen worden sei. Sie wurde vernommen (Howe, S. 265f)
von einem gewissen Herrn Mohr. Er wollte wissen, ob sie jemals Horoskope von Hitler und Heß besessen habe. Sie bejahte die Frage. "Wie kamen Sie dazu?" fragte er. Sie antwortete, früher brauchte man nur zum nächsten Zeitungskiosk zu gehen, um einen astrologischen Almanach oder ähnliche Publikationen zu kaufen. "Wie sieht Hitlers Horoskop aus?" fragte Mohr. "Oh, sehr interessant, sehr ungewöhnlich!" sagte Frau Walther, äußerte sich jedoch nicht, in welcher Hinsicht, ob gut, ob schlecht, denn das Horoskop des Führers war heikel. Ein paar Tage später wurde sie entlassen.
Daß Adolf Hitler um 1922 herum an Seancen von Schrenck-Notzing teilgenommen hat, scheint Gerda Walther der Nachwelt nicht überliefert zu haben. Es kann ihr aber doch wohl als der Sekretärin von Schrenck-Notzing nicht unbekannt geblieben sein. Sie stand offenbar der anthroposophischen Christengemeinschaft nahe und konvertierte 1944 zur katholischen Kirche. Wenn Walther schon 1950 über das Tabuthema der Nürnberger Prozesse "Okkultismus im Dritten Reich" veröffentlichen konnte, so wird dies vor allem auch deshalb möglich gewesen sein, weil sie über viele Themen, die damit in Zusammenhang standen - wie so viele andere - zu schweigen wußte und nur "wohldosiert" Informationen zu veröffentlichen verstand.

Aus diesem Bericht wird aber schon deutlich, welches Politikum "das Horoskop Hitlers" und das, was man aus ihm las, aus ihm herausdeutete, während der ganzen Zeit des Dritten Reiches war ("heikel"!) und sein mußte, zumindest unter astrologisch interessierten Kreisen. Das berichten ja auch andere (etwa der Astrologe Wilhelm Wulff, der das Hitler-Horoskop sehr früh für einen Freund erstellte und ihm abriet, Anhänger Hitlers zu bleiben, siehe weitere Teile). Da zu den astrologisch interessierten Kreisen Hitler und Goebbels noch im April 1945 hinzuzuzählen sind (siehe letzter Teil), da Hitler dem deutschen Astrologen-Kongreß des Jahres 1935 in einem Grußtelegramm "weiteren Erfolg" wünschte, da sein Stellvertreter Rudolf Heß sogar Teilnehmer des deutschen Astrologen-Kongresses war (siehe unten), da es sich doch in diesen Kreisen herumgesprochen haben muß, daß Heinrich Himmler stark astrologiegläubig ist, auch Robert Ley und andere, deutet all dies doch schon sehr klar daraufhin, daß viele Astrologen und Geheimdienstleute die Möglichkeit gesehen haben müssen, Hitler selbst, viele Führungspersönlichkeiten des Dritten Reiches und ganz allgemein astrologisch interessierte Nationalsozialisten mit Deutungen des Horoskopes von Hitler und des Dritten Reiches beeinflussen zu können. Es wird ja auch vermutet, daß Heß mit einer solchen Deutung beeinflußt worden ist, indem ihm gesagt wurde, daß es mit Hitler laut seines Horoskopes ab 1941 bergab gehen würde (siehe später), dem Heß mit seinem Englandflug vorgreifen wollte.

20. April 1923 -  "Astrologie, ein Thema, für das Hitler stets ansprechbar war"

Der Deutsch-Amerikaner Ernst Hanfstaengl (1887 - 1975) gehörte zwischen 1922 und 1937 zur engeren persönlichen Umgebung von Adolf Hitler. Und zwar ohne daß dabei seine schon vor dem Ersten Weltkrieg geknüpften Verbindungen zur politischen Elite der USA, etwa rund um die Familie Roosevelt, aufgegeben worden wären. Im Gegenteil. In seinen 1970 erschienenen Erinnerungen "Zwischen Weißem und Braunem Haus" berichtet er immer wieder von seiner engen Zusammenarbeit mit Diplomaten und Journalisten aus dem anglo-amerikanischen Raum. Etwa mit den amerikanischen Botschaftern und Militärattaches in Deutschland (die ihn 1922 überhaupt erst auf Hitler aufmerksam machten), mit Journalisten wie Sefton Delmer und vielen anderen.

Seine Erinnerungen enthalten nun zugleich viele Details über das Privatleben Adolf Hitlers, die man an anderer Stelle so detailliert nicht liest. Es drängt sich die Vermutung auf, daß Ernst Hanfstaengl die ganze Zeit zwischen 1922 und 1937 im Dienst des amerikanischen Geheimdienstes unter Allen Dulles in der Schweiz gearbeitet hat. Wie so viele Persönlichkeiten, die im Umfeld der nationalsozialistischen Führung tätig waren.

Schon aus diesem Grund werden die Erinnerungen von Ernst Hanfstaengl - wie so viele ähnliche Erinnerungen geheimdienstnaher Persönlichkeiten - einerseits gut informierte Erkenntnisse enthalten, andererseits aber natürlich wesentlichste Zusammenhänge höchstens andeuten, ohne sie genauer auszuführen. Ihnen wird jedenfalls nur dann Plausibilität abgesprochen werden können, wenn aufgrund anderer Quellen sicher nachgewiesen ist, daß die Darstellung von Hanfstaengl auf Erinnerungsfehlern beruht oder bewußt "stilisiert" ist. Daß derartiges der Fall sein könnte, dafür liegen dem Autor dieser Zeilen zunächst nur wenige Anhaltspunkte vor.

Insbesondere auch die Bekanntschaft von Ernst Hanfstaengl mit dem satanismusnahen Bestsellerautor Hanns Heinz Ewers, die schon auf die Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges zurückdatiert, und die Ewers in den frühen 1930er Jahren den Zugang zur NSDAP und zu Hitler ebnete und zur gemeinsamen Produktion eines Horst Wessel-Filmes, läßt aufhorchen. Ewers (siehe unten) arbeitete damals nicht nur an Biographien über Horst Wessel und den "Feme-Schulze", sondern auch über den Wahrsager Hanussen, mit dem er zu diesem Zweck ebenfalls eng befreundet war (siehe unten).

Hanfstaengl war sich, wie er berichtet, mit Dietrich Eckart darüber einig, daß der Antisemitismus der NSDAP nicht zu weit getrieben werden dürfe. Und er behauptet, diesem Antisemitismus entgegen gewirkt zu haben. Auch hat er nach seinen Erinnerungen schon 1923 die antiklerikale Richtung innerhalb der NSDAP rund um Alfred Rosenberg sehr bewußt bekämpft und eine Annäherung zwischen Adolf Hitler und der katholischen Kirche und dem bayerischen Ministerpräsidenten Held gefördert. Und dies alles sogar, obwohl die Familie Hanfstaengl evangelisch war.

All diese Eigenschaften lassen das Wirken von Ernst Hanfstaengl innerhalb der nationalsozialistischen Führung als außerordentlich kompatibel erscheinen mit dem gleichzeitigen Wirken internationaler Okkultlogen und Geheimdienste. Wobei er auffallenderweise bewußteren Vertretern "östlicher Esoterik" innerhalb der nationalsozialistischen Führung wie Karl Haushofer oder Rudolf Heß, wie vielleicht auch Alfred Rosenberg, auffallend distanziert gegenüber steht.

Dieser Ernst Hanfstaengl berichtet jedenfalls nun über ein Gespräch mit Adolf Hitler an dessen 34. Geburtstag am 20. April 1923 (1970, S. 82):
Unterdessen hatte ich das Gespräch auf ein Thema gebracht, für das Hitler stets ansprechbar war: Astrologie oder - besser gesagt - astrologisch verquickter Historismus.

"Wissen Sie eigentlich", sagte ich, "daß Sie am gleichen Tag Geburtstag haben wie Albert Korfranty, der berüchtigte Putschist, der vor zwei Jahren den polnischen Aufstand in Oberschlesien inszeniert hat? Und auch Napoleon III. ist an einem 20. April auf die Welt gekommen. Außerdem hat Oliver Cromwell, Ihr Heros, an einem 20. April das englische Parlament aufgelöst."

Ich hatte mich nicht getäuscht. Obschon er jeden Vergleich seiner Person beziehungsweise seiner politischen Mission mit den Zielsetzungen Napoleons III. oder Korfantys ablehnte, war die Erwähnung Cromwells das richtige Stichtwort gewesen, um ihn seiner schlechten Stimmung zu entreißen.

"Ja - Cromwell!" brach es begeistert aus ihm heraus. "Cromwell - das ist mein Mann! Der und Heinrich VIII. sind für mich die beiden einzigen imponierenden Gestalten der englischen Geschichte."
Das weitere Gespräch will Hanfstaengl dann dazu benutzt haben, um Hitler darauf hinzuweisen, daß seine Bartform eine Herausforderung an Karikaturisten darstellen würde. Hiernach war also dann weiter nicht mehr von Astrologie die Rede.

1923: Hitler und die Astrologin Elbeth Ebertin

Abb. 4: Die Astrologin Elsbeth Ebertin
Viele konkrete Mitteilungen über das Verhältnis zwischen der Astrologin Elsbeth Ebertin (1880 - 1944) (Abb. 4) und Adolf Hitler sind der Forschung - soweit übersehbar - erst seit 1987 und 2002 bekannt, jenen Jahren, in denen Briefe von Rudolf Heß, sowie Erinnerungen von Henriette von Schirach veröffentlicht worden sind. Astrologie-Informierte wußten schon zuvor, daß sie in den 1920er Jahren zu den bekanntesten und "umlagertsten" deutschen Astrologen ihrer Zeit gehörte. Sie begründete eine Astrologen-Dynastie, die noch heute besteht. Ebertin hat Ende Juli 1923 folgende Voraussagen veröffentlicht in ihrem Almanach für das Jahr 1924 (zit. n. 1, S. 168, 174f, 375):
Ein am 20. April 1889 geborener Kämpfer, bei dessen Geburt die Sonne auf 29° im Widder stand, kann durch allzu kühnes Vorgehen in persönliche Gefahr geraten und möglicherweise bald dazu beitragen, den Stein ins Rollen zu bringen!

Nach der Gestirnkonstellation ist der Mann durchaus ernst zu nehmen und zu einer bedeutenden Führer-Rolle in zukünftigen Kämpfen bestimmt.
Es scheint fast so, als ob der, den ich meine, unter diesem starken Widder-Einfluß vom Schicksal dazu ausersehen ist, sich für das deutsche Volk zu opfern und kühn tapfer alles zu ertragen; auch wenn's um Leben und Tod gehen sollte, zum mindesten aber den Anstoß zu einer deutschen Freheitsbewegung zu geben, die dann ganz plötzlich elementar hervorbrechen wird. - Doch ich will dem Schicksal nicht vorgreifen, kommt Zeit, kommt Rat, aber so wie jetzt - zur Zeit, da ich das alles schreibe - kann es natürlich nicht weiter gehen!
Das deutsche Volk kann nur durch einige, von Gott gesandte geistige Führer auf politischem, wie religiösem Gebiet wieder zur Besinnung kommen und zwar durch Menschen mit Gottesglauben und kosmologischem Empfinden, die über allen Parteien stehen, von denen ich schon mehrere unter April-Menschen entdeckte (das heißt nur auf Grund der Gestirnkonstellationen).
Wenn erst der rechte Zeitpunkt gekommen sein wird, das heißt: wenn sich der Versailler Friedensvertrag als unerfüllbar erweist und umgestoßen wird, dann werden die - jetzt noch im Verborgenen glühenden Sterne schon als leuchtende Meteore zum Vorschein kommen, ähnlich wie die Himmelskörper, die jetzt neu entdeckt oder sichtbar werden.
Bei dem Begriff "April-Menschen" legte sie den Lesern nahe, an solche Leute zu denken wie: Adolf Hitler (20. 4.), Erich Ludendorff (9. 4.) oder Rudolf Heß (26. 4.). Mit dieser Voraussage spricht Elsbeth Ebertin natürlich nur als "Medium" jene Menschen an, die "Macht" haben oder bekommen sollen im Auftrag jener Menschen, die "Autorität" besitzen. Sie ist nur der Mund, die Verkünderin der letzteren. Als ein "Medium", das den Menschen mit "Macht" "traumwandlerische Sicherheit" bei ihren politischen Entscheidungen geben soll, die man natürlich auf vielerlei Wegen des politischen Einflusses "anbahnt". Aber die beste Grundlage dafür ist schon einmal die Erwartung möglichst vieler Menschen, daß es "sowieso" so kommen würde. Diese Erwartung erleichtert den Menschen mit "Autorität" ihre, ach, so "schwierige" Aufgabe, der Vorsehung ihre Ziele und Wege zu bestimmen ...

August 1923: Der Hamburger Astrologe Wilhelm Wulff erarbeitet Hitlers Horoskop

Der Hamburger Astrologe Wilhelm Th. H. Wulff (1893 - 1984), "eine der schillerndsten Gestalten der deutschen Astrologiegeschichte" (Schellinger 2010, S. 300), berichtet in seinem Buch "Tierkreis und Hakenkreuz" (1968, S. 51), das in seiner krassen Hochstapelei und Scharlatanerie noch in einem folgenden Teil ausführlicher charakterisiert werden soll schon für den August 1923 die folgende hochgradig krasse Hochstapelei, die typisch ist für sein ganzes Buch:
Hitlers Horoskop habe ich im August 1923 auf Wunsch von Herbert Volck zum erstenmal berechnet. Ich fand darin ganz besonders unglückliche Gestirnskombinationen und für den Herbst 1923 eine böse Konstellation von Saturn und Mars neben anderen ungünstigen Anzeichen zum Aszendenten Hitlers. Um den 8. und 9. November herum war für etwa 24 Stunden die Konstellation der beiden Übeltäter Mars und Saturn sogar besonders gefährlich. Es gab Anzeichen für eine Gewalttat mit schlimmem Ausgang. Ich riet Volck deshalb von jeder weiteren Verbindung mit seinen neuen politischen Freunden ab. (...)

Ich wies Volck auf den Sachverhalt hin: "Wenn Saturn im zehnten Felde in schlechtester Position steht (im Löwen), ohne von wohltätigen Planeten aspektiert zu sein, wird der Betreffende ein Anführer von Kulis. Er wird vernunftwidrige, grausame Befehle erteilen und gefürchtet werden." Mit anderen Horoskopausführungen überreichte ich Volck diesen Text und fragte ihn, ob er wirklich ein Kuli Hitlers werden wolle, ein "Sudra", ein Angehöriger der tiefsten Kaste in Indien.
Wulff schreibt nirgendwo, daß Hitler von diesem Horoskop Kenntnis erhalten hat. 1941 will sich Wulff mit Himmler und Heydrich über dieses Horoskop unterhalten haben (siehe unten).Wulff kann natürlich "im Nachhinein" (1968) viel erzählen. Da aber auch Elsbeth Ebertin so viel "vorauswußte", was sie auch schon 1923 veröffentlichte, da Wulff auch sonst in seinem Leben viel "vorher" gewußt hat (siehe unten), muß diese Erzählung selbst nicht frei erfunden sein. Sie wird eher davon zeugen, daß Wulff - aufgrund seines von ihm selbst nie erwähnten ariosophischen Hintergrundes - wie Ebertin über Hintergrundpolitik-Wissen verfügt haben wird.

Man wird seinen Bericht zumindest als Hinweis darauf ansehen dürfen, daß in jenen Jahren wohl fast alle bedeutenderen Astrologen das Horoskop von Hitler erarbeitet haben werden. Daß über all diese Horoskope bis heute so wenig bekannt zu sein scheint, scheint ein weiterer Hinweis auf die tiefe Mitverstrickung der deutschen astrologischen Szene in die Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 hinzudeuten.

September 1923 - Rudolf Heß an Haushofer

Am 13. September 1923 schreibt Rudolf Heß an Karl Haushofer (Jacobsen, Hans-Adolf: Karl Haushofer: Leben und Werk. Bd. 2: Ausgewählter Schriftwechsel 1917-1946. Harald Bolt-Verlag, Boppard am Rhein 1979 (Google Bücher), (Bd. 2, S. 21):
Daß ich's mit den Volksmassen nicht habe, steht auch in meinem Horoskop drin. Ich werde nie meine Lorbeeren in Volksreden pflücken, trotz der noch herrschenden Adjektiva u. Superlativa. So versinkt also auch dieser Traum. Überhaupt spielt in meinem Horoskop das "Haus der großen Einsamkeit" eine vorherrschende Rolle.  

Weißt Du, ich würde für mein Leben gern Deine Daten dem Betreffenden geben, ohne je zu sagen, wessen sie sind, schon als Probe auf's Exempel. Ich verschweige Dir dann alles, was man von der Zukunft lieber nicht wissen soll. Nötig wäre Geburts-Ort u[nd] Tag, möglichst auch Stunde.
Hier ist der Begriff "Haus der großen Einsamkeit" allerdings schon hochgradig auffallend, wenn man das spätere Lebensschicksal von Rudolf Heß als dem langjährigen, einsamen, letzten Gefangenen des Spandauer Gefängnisses berücksichtigt. Fast mutet es so an, als ob er als einsamer Gefangener solange in Spandau gefangen gehalten wurde, um gegenwärtigen und nachlebenden Astrologiegläubigen zu zeigen: Seht her, Vorhersagen erfüllen sich. Oder als ob diese einsame Gefangenhaltung irgend einem okkulten Denken entsprochen hätte. Und am 8. Oktober 1923 schreibt Heß an Karl Haushofer (ebenda, Bd. 2, S. 25):
Deine Daten gab ich weiter u. warte nun sehr gespannt auf den Erfolg. Mein Horoskop ist nicht ausgearbeitet, ich erfuhr die Einzelheiten - oder auch die nicht: die großen Züge an Hand der Tafeln.

Wir sollen jetzt in eine Zeit eintreten, die sich wieder mehr mit Übersinnlichem beschäftigt, empfänglichere Menschen hervorbringt dank der entsprechenden Konstellation. Ich selbst soll, lt. Horoskop, außerordentlich stark in dieser Richtung veranlagt sein.
Mit welchem gerissenen Fuchs von Astrologen es Rudolf Heß wohl da wieder zu tun hatte? Aber dieser Fuchs hatte es bei diesem Kunden auch außerordentlich leicht!

19. Oktober 1923: Elsbeth Ebertin spricht mit Hitler

Am 19. Oktober 1923 besuchte Elsbeth Ebertin eine Veranstaltung Adolf Hitlers in München, bei der sie ihn kurz auch persönlich gesprochen hat. Darüber äußerte sie sich ein Jahr später in einem Interview (zit. n. 1, S. 174):
Mir kam er sogar etwas schüchtern vor, als ich (...) einige Worte mit ihm wechselte. Er ist anscheinend nur dann in seinem Element, wenn er Massen vor sich hat, die darauf brennen, seinen Worten zu lauschen. Am Rednerpult geht er ganz aus sicher heraus und scheint dann mehr Medium, das unbewußte Werkzeug höherer Mächte zu sein. (...) aber es wird sich zeigen, daß gerade dadurch (der mißlungene Putsch vom 8./9. November 1923) diese Bewegung sich nicht nur innerlich vertiefen, sondern sich auch äußerlich so verstärken wird, daß sie ein mächtiger Antrieb auf das Schwungrad der Weltgeschichte werden wird!
Über "Medien" und "Werkzeuge höherer Mächte" weiß Elsbeth Ebertin also sehr gut Bescheid. Und sie nimmt den Mund sehr voll. Das kann sie nur, weil sie selbst - vielleicht noch viel mehr als Hitler - "Medium" und - etwas bewußteres - "Werkzeug höherer Mächte" ist. Ob ganz bewußt oder wie eine okkultgläubige "nützliche Idiotin", die selbst glaubt, ihre sehr realen Einflüsterungen und "Erkenntnisse" auf übernatürlichem Wege erhalten zu haben, ist uns einstweilen noch unbekannt.

29. November 1923: Astrologen sagen Heß "fürstlich gehäufte Ehren" voraus

Stephan Berndt scheint noch längst nicht alle Stellen der Briefe von Rudolf Heß mit Bezügen zur Astrologie in seinem Buch aufgezählt zu haben. So zum Beispiel nicht jenen Brief vom 29.11.1923 an seine spätere Frau Ilse Pröhl, der den Historiker Rainer F. Schmitt schreiben läßt (S. 52):
Vom 14. bis 17. November (1923) fand er (Rudolf Heß) Unterschlupf in der Münchner Stadtwohnung der Haushofers, dann verliert sich seine Spur im Untergrund. In dieser Zeit des Wartens und der Unentschlossenheit suchte er wieder Zuflucht und Hilfe bei der Astrologie, die für ihn "die nächsten Wochen entscheiden" sollte und ihm "geradezu fürstlich gehäufte Ehren" vorhersagte.
Solche Voraussagen ließen sich durchaus mit den gleichzeitigen Voraussagen der Elsbeth Ebertin für Hitler in Einklang bringen. Leider behandelt der Historiker Schmidt die astrologischen Interessen von Heß und Karl Haushofer zu summarisch, obwohl er in den Anmerkungen viele Briefe dazu als Belege nennt (S. 46):
Eine "Planetendame" erstellte aus Heß' Geburtsdatum ein Horoskop, und immer wieder sucht er inmitten persönlicher und politischer Krisen der aufstrebenden nationalsozialistischen Partei bei Weissagungen Zuflucht, zum Beispiel, als er sich von einer alten Zigeunerin vorhersagen läßt, daß Deutschland "1928 wieder in alter Stärke unter den Völkern" stehen wird.
In den Anmerkungen 49 und 50 zu diesen Ausführungen zählt Schmidt zahlreiche Briefe und Dokumente aus Archiven und Veröffentlichungen auf, die er eingesehen hat, z.B.:
Rudolf Heß an Karl Haushofer, 13.9.1923; Horoskop für Dr. Karl Haushofer, August 1939, erstellt von Hans Hoyss, Wien; Rudolf Heß an Klara Heß, 10.6.1920; Rudolf Heß an Karl Haushofer, 6.10.1923.
18. Juni 1924: Hitlers Bereitschaft, sich von Astrologie beeinflussen zu lassen

Am 18. Juni 1924 schreibt Rudolf Heß aus Landsberg an seine zukünftige Frau Ilse (zit. n. 1, S. 171):
Bei einer wilden Debatte über die Frage der Astrologie, die ich angezettelt hatte, (...) erklärte der Tribun [damit meint er Hitler], er habe ja leider sich nicht beeinflussen lassen, aber die Tatsachen müsse er doch feststellen. Dieses seien: es wäre ihm von verschiedenen Seiten gesagt worden seinerzeit, wenn er in nächster Zeit handele, so würde seine Person dabei vorerst unter die Räder kommen, allerdings auf weitere Sicht würde sich das Ganze zum Guten auswirken. Noch ein weiteres sei ihm gesagt worden, doch könne er darüber vorerst nicht reden. Er spreche noch lange nicht der Astrologie das Wort, aber in Anbetracht der Tatsachen könne er sie auch nicht ablehnen.
Damit wird wohl feststehen, daß Hitler die zitierten "Warnungen" der Elsbeth Ebertin von Ende Juli 1923, die diese nach eigener Aussage auch an die Redaktion des "Völkischen Beobachters" geschickt hatte, schon vor dem 9. November 1923 gekannt hatte. Wenn Hitler hier wirklich gesagt hat, er habe sich "leider" nicht von Astrologie beeinflussen lassen, so machen doch die weiteren Ausführungen klar, daß die Bereitschaft, sich von Astrologie beeinflussen zu lassen, nicht gerade gering ist.

"Wilde Debatten" lösen also Horoskope zwischen Hitler und Heß aus. Wir werden sehen, daß ebensolche Horoskope noch im April 1945 "wilde Debatten" zwischen Hitler und Goebbels auslösen werden (siehe 3. Teil). Von den Briefen von Rudolf Heß zwischen 1941 und 1945 ganz zu schweigen, die ebenso wild in ihren Annahmen, Unterstellungen und Schlußfolgerungen gewesen sein sollen.

Hitler hatte natürlich ganz "schlafwandlerisch" auf diese Warnungen "leider" nicht gehört. Sonst wäre ja auch die Voraussage nicht in Erfüllung gegangen. Aber wieso eigentlich "leider"? "Durch Nacht zum Sieg" ist doch der Tenor dieser Voraussagen. Man könnnte vermuten, daß Hitler sich sogar Heß gegenüber zum Teil bedeckt hält. Man braucht es ja nicht nur vermuten: Es gibt ja noch Dinge, über die er "vorerst" sogar mit Heß nicht reden kann.

1924: Der "Bund der Guten" stellt Horoskope für völkische Reichstagsabgeordnete

Der "Bund der Guten" (vgl. Wegener 2004) war in Norddeutschland so ziemlich genau das, was die viel bekanntere "Thule-Gesellschaft" damals in Süddeutschland war: Sie sammelte die norddeutschen völkischen Politiker rechts von der DNVP in ihren Reihen, so wie die Thule-Gesellschaft die süddeutschen völkischen Politiker rechts von der DNVP in ihren Reihen sammelte. Für die bei der DNVP verbliebenen Politiker blieben ja die traditionellen altpreußischen Logen der "gegebenene" "metapolitische" Sammelraum, innerhalb dem politische Entscheidungen angebahnt werden konnten. (Mehr darüber wird in einem Buch mitgeteilt werden, das derzeit den Arbeitstitel trägt "Wie wurde Erich Ludendorff Geheimpolitik-Kritiker?").

1924 nun, genau in der Zeit, in der Hitler und Heß in Landsberg "wilde Debatten" über Horoskope führten, spielte sich eine mindestens ebenso heftige Horoskop-Debatte rund um den "Bund der Guoten" und rund um die völkische Reichstagsfraktion ab (Zusammenschluß der süddeutschen NSDAP mit der norddeutschen Deutschvölkischen Freiheitspartei). Der norddeutsche Reichstagsabgeordnete und zum Anti-Okkultisten gewandelte Jürgen von Ramin (1884 - 1962) wurde zu Ostern 1924 von dem "Germanenorden Walvater", also der Mutterorganisation der Thule-Gesellschaft - allesamt "völkische Freimaurer" - scharf angegriffen. Womöglich war es dieser Angriff, der sogar die "wilden Debatten" zwischen Hitler und Heß ausgelöst hatte. Worum es bei dieser Debatte inhaltlich ging, machte Jürgen von Ramin dann im Dezember 1924 öffentlich, als er in brutaler Offenheit schrieb (zit. n. Wegener, S. 38):
Es gibt eine angeblich völkische Organisation, die sich „Bund der Guten“ nennt. Sie „entdeckt“ das „altarische Weistum“ und beschäftigt sich auch mit Sterndeuterei. Ihr Führer, der unter dem Namen „Weishaar“ schreibt … verfügt über ein Horoskop, das ihn zum künftigen deutschen Kaiser bestimmt. Es ist zwecklos, über diese Groteske zu lachen … Dieser Bund blickt auf Grund seiner Sterndeuterei nicht nur dem Schicksal hinter die Kulissen, er macht auch grundsätzlich die Führerauslese vom Horoskop abhängig, wobei zu bemerken ist, daß jeder, der dem Bunde unbequem ist, ein Horoskop hat, das ihn zum Schurken stempelt. Ich persönlich bin nach dem einhelligen Urteile der Astrologen, der Geister- und Hellseher, aus nahe liegenden Gründen eine durchaus minderwertige Kreatur, und das rechne ich mir zur Ehre an.
Es ist nichts naheliegender, als daß genau diese Dinge auch in dem "Germanenorden Walvater" geschahen, der Ramin zuvor angegriffen hatte, und zu dessen Tochterorganisation Thule-Gesellschaft ja die beiden Gefängnisinsassen die denkbar engsten Kontakte hatten. Im März 1925 gab die Reichstagsfraktion unter Erich Ludendorff eine Ehrenerklärung für ihren Kollegen Jürgen von Ramin ab (Wegener, S. 40). Das ist auffallenderweise in der Zeit, kurz nachdem sich Hitler und Ludendorff voneinander politisch getrennt hatten und sich (damit) auch die norddeutschen Völkischen von Hitler und der süddeutschen NSDAP wieder getrennt hatten.

Wir haben soweit übersehbar kein Zeugnis darüber, daß Hitler von all diesen Vorgängen irgendwie Kenntnis genommen hätte oder sich dazu geäußert hätte. Aber manchmal spricht Schweigen deutlicher als Reden. (Ebenso wie einem das beredte Schweigen der berühmten vormaligen "RAF-Anwälte" Mahler, Schily und Ströbele über ihre Involviertheit in die Geheimdienst-Hintergründe des RAF-Terrors mehr sagt, als vieles, was sie selbst an Eigendarstellung über sich gegeben haben.)

1925: Hitler ist von der Astrologin Ebertin beflügelt

Denn der Umgang des Adolf Hitler bei Astrologen und Horoskopen bleibt weiterhin sozusagen "unbekümmert". Statt sich an die Okkultismus- und Astrologie-Kritik innerhalb der völkischen Bewegung und im Umfeld von Erich Ludendorff anzuschließen, läßt er sich selbst vielmehr sogar von seinen "Astrologie-Leuten" nach seiner politischen Marginalisierung infolge der Trennung von den norddeutschen Völkischen wieder stimmungsmäßig aufbauen. Schreibt doch Rudolf Heß am 28. April 1925 an seine Eltern, Hitler sei (zit. n. 1, S. 166, 172):
sehr guter Dinge, sehr vergnügt (...) Und nicht nur, weil Frau Ebertin und andere Astrologie-Leute den Aufstieg seines Sternes für Herbst dieses Jahres vorausgesagt haben.
Von dem Punkt aus, an dem Hitlers "Stern" zu diesem Zeitpunkt stand, mußte fast alles als "Aufstieg" interpretiert werden, und sei es auch nur die "Konsolidierung" der Machtbasis des Adolf Hitler durch die Neugründung und den Neuaufbau der NSDAP in jener Zeit.
 
1925: Himmler und der Astrologe Karl Heilmeier

Während sich Adolf Hitler und Rudolf Heß schon in jener Zeit ganz unbekümmert mit Astrologen und Horoskopen beschäftigten, mußte der 11-, bzw. sechs Jahre jüngere Heinrich Himmler (1900 - 1945) damals noch ein ganz unbedeutender Diplom-Landwirt in Landshut in Bayern - erst einmal erfahrungsmäßig aufholen, was seinen Parteiführern damals schon so selbstverständnlich war. Auch er war offenbar - wie so viele damals - in "wilde Debatten" um Horoskope verwickelt worden. Und so schrieb er am 11. September 1925 einen mehr oder weniger unbeholfen wirkenden Brief an den Teilzeit-Astrologen Karl Heilmeier in München (zit. n. Wegener, S. 37, bzw. Wegener/Himmler, S. 55f):
Hochverehrter Herr Professor!
Gestatten Sie, daß ich heute mit einer Frage an Sie herantrete. Sind Sie über den „Bund der Guten“ und seine Bestrebungen unterrichtet? Er ist geführt von einem Mann, der unter dem Decknamen Weishaar schreibt. Ich bin mir nicht recht im Klaren, was ich namentlich über die Veröffentlichung des Horoskops des Abg. Jürgen von Ramin halten soll. So etwas läßt sich hier zu wenig nachprüfen und ich sehe darin die Möglichkeit, Menschen, die einem unbequem sind, durch Veröffentlichung eines schlechten Horoskops unmöglich zu machen. Sollten Sie den Bund noch nicht kennen, bin ich gerne bereit, Ihnen Schriften hiervor zu übersenden. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn ich Sie und Ihren Freund, Herrn Pfaffenzeller in München einmal treffen könnte. Ich denke, ich kann mit Herrn Pfaffenzeller, wenn der Landtag wieder angegangen ist, einmal etwas ausmachen.
Ihrer liebenswürdigen Antwort entgegensehend, bin ich mit treudeutschem Gruß! Ihr sehr ergebener H.H.
P.S.: Wären Sie bereit, von folgenden Geburtsdaten mir Horoskope aufzustellen? 
München 7.10.1900 4 ½ Nachm. - Landshut 27.9.1903 8 h Morgens. - Regensburg 2.3.1903 ¾ 5 h Nachm. - Schwetzingen bei Heidelberg 3.4.1896 1 h Nachts. 
Das erste der Geburtsdaten ist dasjenige von Heinrich Himmler selbst. Die anderen sind offenbar frei erfunden (Wegener, S. 41). Ob Karl Heilmeier zehn Jahre später ebenso schnoddrig und kurz angebunden geantwortet hätte, wie im Jahr 1925 bleibe dahingestellt. Jedenfalls antwortete er dem unbedeutenden Heinrich Himmler ablehnend, da er für jedes Horoskop drei Tage brauchen würde und dafür nicht die Zeit hätte. Für die Beurteilung des „Bundes der Guten“ würde der Name genügen (zit. n. Wegener/Himmler, S. 57):
Über das Eigenlob hat ein Volkswort das richtige Urteil seit langem richtig gefällt.
Er meinte wohl die Redensart „Eigenlob stinkt“. Auch würde ein vernünftiger Mensch, der immer ordentlich handeln würde, gar kein Horoskop über sich und seine Mitarbeiter brauchen. (- Warum Heilmeier dann aber trotzdem Horoskope anfertigt, sagt er nicht. Möglicherweise wollte er sich von Himmler einfach nicht aushorchen lassen.)

1925: Der Astro-Club "Bund der Guten" veröffentlicht eine brisante Zeugenaussage über den "Freimaurermord von Sarajewo", um sich völkisch zu rehabilitieren

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang noch der folgende Vorgang erwähnt. Da der "Bund der Guten" und mit ihm insbesondere auch der ideologische Kopf desselben, der einflußreiche Okkultlogengründer und Okkultschriftsteller und "ausgetretene" Hochgradfreimaurer Paul Köthner (s. Wegener) durch diesen Streit innerhalb der völkischen Bewegung in ein außerordentlich schiefes Licht geraten waren, glaubte wohl Köthner zu seiner und des "Bundes" Rehabilitierung einen besonders starken Auftritt machen zu müssen. Jedenfalls veröffentlichte er im November 1925 in der Zeitschrift des "Bundes der Guten" einen nachmals sehr berühmt gewordenen Augenzeugenbericht darüber, daß er in den Jahren vor 1914 innerhalb der "Großen Landesloge von Deutschland" und anderen freimaurerischen Logen zum Mitwisser von Plänen zum Attentat auf den österreichischen Thronfolger geworden sei.

Dieser Aufsatz war bald darauf mehr nicht nur Wasser auf die Mühlen des Anti-Okkultisten und Anti-Freimaurers Erich Ludendorff, sondern gleich ein ganzer "Wasserfall" - wenn diese Metaphorik her erlaubt ist. Er wurde vor allem bis 1930 in der deutschen Öffentlichkeit viel erörtert und Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren zwischen Ludendorff und anderen völkischen Freimaurerkritikern und dem Leiter der "Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland" vor 1914, den Köthner mit seinem Aufsatz in ein so kriminelles Licht gestellt hatte. (Mehr dazu ist z.B. auch in Lennhoffs Freimaurerlexikon nachzulesen.)

1925: Hitler erhält schlechte Voraussagen von der Astrologin Ebertin - und beschweigt die Astrologie

Abb. 5: H.v.Schirach
Hitler hat sicherlich von diesen Dingen erfahren und sie werden ihn zunehmend vorsichtig haben sein lassen, was Thule-, Okkultismus- und Astrologie-nahe Äußerungen seinerseits betrifft. Selbst nahestehenden Mitarbeitern gegenüber. Henriette von Schirach berichtet über die Münchner Zeit Hitlers, in der man sich oft auch in einem Lokal traf, das im Innern aussah wie ein griechischer Tempel, das deshalb "Tempel" genannt wurde, und das heute noch existieren soll (zit. n. 1, S. 167):
Politische Gespräche gibt es kaum im Tempel, auch über Astrologie wird nicht mehr gesprochen, seit ihm [Hitler] die Astrologin Elsbeth Ebertin, die er bis dahin regelmäßig aufgesucht hatte, grandiosen Aufstieg und ebenso tiefen Sturz prophezeite, auch das jäh abfallende "R" seines Namenszuges hat sie tragisch gedeutet.
Hitler hat also die Astrologin Elsbeth Ebertin regelmäßig aufgesucht. Die Horoskope nach Art jenes oben zitierten müssen ihn demnach schon "magisch" angezogen haben. Vielleicht sogar süchtig gemacht haben. Und man sieht, wie die Astrologen die wechselnden Stimmungen ihrer braunen Kunden in der Hand hielten. Und wenn es schlechte Voraussagen sind, die Hitler nicht mehr über Astrologie sprechen lassen, so beruht das ja ganz offensichtlich nicht darauf, daß er Astrologie für Humbug halten würde, sondern gerade deshalb weil er ihr eben Bedeutung zumißt.

1927: Hitler beflügelt, die Gründe kennt nur Rudolf Heß

Am 20. November 1927 schreibt Rudolf Heß an seine Eltern über Hitler (zit. n. 1, S. 134):
Er strahlt und sprudelt über vor guter Laune, so daß es für Dritte verdächtig werden könnte. Denn außer ihm und mir weiß hier [in den Münchner NS-Kreisen] keiner Einzelheiten, ja kaum etwas von der großen Linie. - Ich bitte Euch daher auch selbst, meine Andeutungen nicht über die engste Familie hinausdringen zu lassen.
Es ist schon auffallend, daß solche bekannten, okkultgläubigen SS-Größen wie Adolf Hitler, Rudolf Heß, Joseph Goebbels und Heinrich Himmler sich selbst untereinander nicht alles mitgeteilt haben, was sie auf diesem Gebiet "wußten" oder erfahren hatten. Sie haben sich dabei gegenseitig belauert, wie ähnliche Vorgänge das schon rund um den "Bund der Guten" zeigten und wie wir das noch sehen werden. Und sie haben diesbezüglich jeweils versucht, mehr zu wissen als die jeweils anderen und einander das Wasser abzugraben. Dies wird es erklären, warum es von ihnen immer wieder auch "kritische" bis "ablehnende" Äußerungen über Astrologie und Hellseherei gibt. Die astrologischen Berater selbst werden dieses gegenseitige Mißtrauen und Geheimhalten voreinander gefördert haben, konnten doch auch sie dadurch den einen gegen den anderen ausspielen. Da läßt sich derzeit vieles nur erahnen an Vorgängen. Adolf Hitler scheint dabei derjenige gewesen zu sein, der am wenigsten mit offenen Karten gespielt hat. Aber auch Joseph Goebbels und Heinrich Himmler haben ja gegen ihn "konspiriert" diesbezüglich (siehe unten) und auch Rudolf Heß glaubte es offenbar anläßlich des - nicht mit Hitler abgestimmten - Englandfluges besser als sein "Führer" zu wissen und dieses bessere Wissen vor ihm geheimgehalten zu müssen.

Ein solches "Wissensgefälle" ist Geheimdiensten und -gesellschaften natürlich am liebsten: Wenn jeder an einer Operation Beteiligte jeweils nur das weiß und nach außen kund gibt, was zur Erfüllung speziell seines "Auftrages" notwendig ist. Dadurch kann man sie ggfs. auch untereinander ausspielen, ja, sogar "gegeneinander" einsetzen. (Und zum Schluß kommt dann das heraus, was so im allgemeinen "Weltgeschichte" genannt wird.)

1928 bis 1934 - Ernst Röhm läßt sich von dem homosexuellen Astrologen Karl-Günther Heimsoth "wie ein Kind beeinflussen", der - "wie Hanussen" - "voll von gefährlichen Geheimnissen" ist

Der deutsche Arzt und "linke Nationalsozialist" Karl-Günther Heimsoth (1899 - 1934) hat sich schon in seiner Doktorarbeit 1924 sexualwissenschaftlich mit der Homosexualität befaßt. Und zwar auf der geistigen Linie des Frauenhassers Otto Weininger ("Geschlecht und Charakter") und des homosexuellen Wandervogels Hans Blüher ("Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft") (dies und alles folgende nach dem Wikipedia-Artikel zu ihm). In der Folge entwickelte er sich zu einem "Aktivisten der homosexuellen Emanzipationsbewegung". Er freundete sich mit dem Homosexuellen  Ernst Röhm (1887 - 1934) an und wurde im Zuge der Röhm-Morde - wie zahlreiche andere Homosexuelle im Umkreis von Ernst Röhm - und wie "linke Nationalsozialisten" ermordet. Wie Hans Blüher war er immer auch gedanklich mit dem Thema "Geheimbünde" beschäftigt (s. Wikip.). Ernst Jünger schrieb über den von ihm vermuteten Mord an Heimsoth, daß dieser (s. Wikip., Hervorhebung nicht im Original)
am Wittenbergplatz eine zwielichtige Praxis unterhielt, eine wahre Fallgrube. Er steckte ähnlich wie der Hellseher Hanussen voll von gefährlichen Geheimnissen und war einer der ersten, die liquidiert wurden.
Wenn Ernst Jünger davon weiß, wird auch Ernst Jünger so manches von diesen "gefährlichen Geheimnissen" mitbekommen haben. Dies nur am Rande. Weniger am Rande ist zu erwähnen, daß dieser Heimsoth auffallenderweise - wie Hanussen (siehe unten) - auch mit dem satanismusnahen Bestsellerautor Hanns Heinz Ewers in Kontakt stand:
Der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers griff in seinem Freikorps-Roman "Reiter in deutscher Nacht" (1931) offenbar auf Informationen Heimsoths zurück. In der Romanfigur des homosexuellen Leutnants a. D. Detlev Hinrichsen ist Hergemöller zufolge Heimsoth erkennbar.
Dieser von Hanns Heinz Erwers behandelte Heimsoth nun ließ sich zwischen 1925 und 1928 von einem ariosphischen Astrologen, nämlich von einem Friedrich Schwickert (1857 - 1930) (Astro-Wiki) in Astrologie ausbilden. (Also noch ein ariosophischer Astrologe. Und damit wird auch Heimsoth von der Ariosophie nicht allzu weit entfernt gewesen sein.) Kein Wunder jedenfalls, daß Heimsoth in der Folge "ähnlich wie der Hellseher Hanussen voll von gefährlichen Geheimnissen" war, wenn er einen Lehrer wie Friedrich Schwickert hatte. Auf Astro-Wiki heißt es nämlich über Schickert (Hervorhebung nicht im Original):
Schwickert hatte schon in jungen Jahren Reisen nach Asien unternommen, und beschäftigte sich seitdem mit Mystik und Astrologie. Im Nachruf von Victor Radö heißt es hierzu: "Als Gast an fast allen Fürstenhöfen Indiens, des Königs von Korea, der ihn mit Geschenken überhäufte, des Kaisers von China, waren ihm die sonst unzugänglichen Stätten der Weisheit geöffnet; er durfte fragen und wurde belehrt. Es grenzt weit über alles Alltäglich-Faßbare und reicht tief in das Reich des Wunderbaren, was dieser Mann erlebt hat. Er hatte Freunde in der ganzen Welt, fast ausschließlich nur Menschen, die sich mit der okkulten Seite alles Naturgeschehens befaßten".

Er wurde später Mitglied des Martinisten-Ordens und des von Jörg Lanz von Liebenfels geführten Neutemplerordens, wo er den Ordensnamen Fra Gonsalvo trug. Allerdings publizierte er zu dieser Zeit nicht mehr astrologisch, so daß er in Astrologenkreisen nie als Ariosoph in Erscheinung trat. Dort hatte er unter dem Pseudonym Sindbad geschrieben, und wurde weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. (...)
"Er war eine erkannte Autorität und selbst die Behörden, Polizei und Gericht, erbaten seinen Rat und sein Gutachten, wenn es sich um okkulte oder astrologische Fragen handelte."
Es fällt auf, wie hier betont wird, daß er in Astrologenkreisen nicht als Ariosoph in Erscheinung trat. Wer von den vielen Astrologen tat denn das? Und wer von diesen vielen Astrologen war denn eigentlich nicht Ariosoph? Das fragt man sich um so mehr, um so mehr man sich mit den vielen Astrologen, die die Führungskreise der NSDAP "umschwirrten", bzw. von der Wiege bis zur Bahre betreuten, beschäftigt. Schwickert war also eine "Autorität" wie Jan Eric Hanussen und wie Wilhelm Wulff. Man kann dann also schon fast mit Sicherheit davon ausgehen, daß auch er - wie die beiden Vorgenannten - mit Mitgliedern der "Deutschen Gesellschaft für wissenschaftlichen Okkultismus" (siehe unten) in guter Zusammenarbeit wird gestanden haben.
Seine neuen astrologischen Kenntnisse ließ Heimsoth einfließen in sein 1928 erschienenes Buch 
"Charakter-Konstellation - Mit besonderer Berücksichtigung der Gleichgeschlechtlichkeit" von 1928. (Es) ist Schwickert gewidmet. In diesem Werk versucht Heimsoth Psychoanalyse und Astrologie miteinander zu vereinen und ein Schema für die Feststellung der Veranlagung eines Menschen zur Homosexualität aufgrund der Konstellation der Gestirne zum Zeitpunkt seiner Geburt herauszuarbeiten. 
Und dieses Buch sandte Heimsoth dann auch an Ernst Röhm, woraus ein Briefwechsel entstand, der im März 1932 vom politischen Gegner, von dem wichtigen Staatssekretär im Preußischen Innenministerium, Wilhelm Abegg, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (s. Helmut Klotz "Der Fall Röhm", 1932). Schon im ersten Antwortbrief von Ernst Röhm an Heimsoth vom 3. Dezember 1928 gibt sich Ernst Röhm selbst - sozusagen - sehr unumwunden als ein Aktivist der homosexuellen Emanzipationsbewegung zu erkennen. Heimsoth hatte Andeutungen in Röhms öffentlichen Äußerungen dahingehend gedeutet, daß sich Röhm für eine Aufhebung der Strafbarkeit der Homosexualität (§ 175) einsetzen würde. Und genau dies bestätigt Röhm auch in seiner Antwort:
Mit dem Herrn Alfred Rosenberg, dem tölpelhaften Moralathleten, stehe ich in schärfstem Kampf. Seine Artikel sind auch vor allem an meine Adresse gerichtet; da ich aus meiner Einstellung kein Hehl mache.
Röhm schreibt auch:
Übrigens arbeite ich auch mit Herrn Radsuweit zusammen und bin natürlich Mitglied seines Bundes.
Gemeint ist hier Friedrich Radzuweit (1876 - 1932), dessen 1923 gegründeter "Bund für Menschenrecht e.V." sich für die Rechte homosexueller Menschen einsetzte und die Abschaffung des § 175 forderte. Am 25. Februar 1929 schreibt Röhm aus Laz Paz in Bolivien. Er bedankt sich begeistert für das zugesandte Buch, das er inzwischen fertig gelesen hat. Und er schreibt:
Sie haben es sich aber auch selbst zuzuschreiben, wenn Ihr Buch mit zu einer Bitte angeregt hat. Ersichtlich haben Sie eine unerhörte Übung in der Fixierung der "Konstellation". Könnten Sie sich nicht auch einmal der meinen annehmen? Ich bin am 28. November 1887 morgens 1 Uhr in München geboren. Dann wüßte ich vielleicht auch einmal, wie ich mit mir eigentlich daran bin. Offengestanden weiß ich das eigentlich nicht bestimmt. Ich bilde mir ein, gleichgeschlechtlich zu sein, habe dies aber richtig erst 1924 "entdeckt". (...) Heute sind mir alle Frauen ein Greuel.
Im weiteren Brieftext schreibt er dann sehr ausführlich darüber, wie wenig Möglichkeit er in Bolivien hat, seine Neigung auszuleben, und wie sehr er deshalb hofft, bald nach Berlin zurückkommen zu können. Und er schreibt in Bezug auf seine weiteren Bemühungen, seine Neigung ausleben zu können:
Ich werde ja meine Versuche fortsetzen, hier einige Kultur zu verbreiten, obs aber glücken wird, muß ich bezweifeln.
Und diesen und anderen Äußerungen geht deutlich hervor, daß er die Neigung zum weiblichen Geschlecht - wie Otto Weininger - für widernatürlich und kulturlos hält und, und daß allein er als Homosexueller Kultur verbreiten könne. Es ist durchaus wichtig zu wissen, wie elitäre Homosexuelle in der Nachfolge von Hans Blüher denken. Denn elitäre homosexuelle Pädophilie ist, wie wir wissen, bis heute ein großes Problem in der westlichen Welt, sowohl in konservativ katholischen Männerbünden wie in der liberalen Reformpädagogik (siehe andere Beiträge hier auf dem Blog). Und am Ende des Briefes stellt sich Röhm seinem "künftigen" (?) Astrologen als ähnlich willfährig gegenüber, wie wir dies von Himmler seinem Astrologen Wulff gegenüber kennen (siehe unten):
Als eine meiner Eigenarten muß ich Ihnen noch anfügen, wie Sie übrigens wahrscheinlich selbst herausgebracht hätten, daß ich von Ärzten wie ein Kind mich beeinflussen lasse, wenn ich zu Ihnen Vertrauen habe. Daß ich dieses Vertrauen (zu) Ihnen habe, werden sie ja fühlen.
Am 11. August 1929 schreibt er an Heimsoth:
Für Ihre Horoskop-Ausarbeitung meinen herzlichsten Dank. Es hat mich alles außerordentlich interessiert, wenn ich auch in puncto puncti
also in Bezug auf seine geschlechtliche Neigung
ebensowenig klar sehe, wie früher. (...) Etwas gewundert hat mich Ihre Feststellung bezüglich meiner Stellung zum Beruf. Daß mir dieser scheißegal ist, habe ich wahrhaftig noch nie wahrgenommen, eher im Gegenteil. Aber so Schwankungen in gewissen Punkten wird ja wohl jedes Horoskop ausgesetzt sein. Und schließlich ist's ja wohl nur ein Anhalt.
Aus dem weiteren Briefinhalt geht hervor, daß Heimsoth zu jener Zeit "glücklich verheiratet" ist, wie Röhm schreibt, mit einem Fritz Schirmer. Es wird sich um jenen Schriftsteller handeln, der 1919 mehrere Schriften im Gedankenaustausch mit Hans Blüher und im Umfeld des pädokriminellen Reformpädagogen Gustav Wyneken veröffentlicht hat (z.B. "Brief und Widerbrief" und "Vom ethischen Gefühl" beide erschienen beim "Bund für freie Schulgemeinden", 1919).
Heimsoth gehörte nach 1930 (lt. Wikipedia) der von Otto Strasser geführten NSDAP-Abspaltung "Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten" (KGRNS) an, die - wie Otto Strasser selbst und Historiker sagen - selbst geheimbundartig in "äußere" und "innere Ringe" gegliedert war. Aber Otto Strasser selbst war es, der der Polizei im Juni 1931 die Hinweise auf den Briefwechsel Heimsoth-Röhm gab. Heimsoth schloß sich nun der Nationalistengruppe in der KPD rund um Beppo Römer an. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ lieferte Heimsoth, obwohl er sich nun offiziell der NSDAP anschloß, weiterhin Informationen an den Nachrichtendienst der KPD. Ein Bericht der Gestapo vom September 1933 wies zudem auf fortbestehende Kontakte zu Beppo Römer hin.
Ob Heimsoth wohl nicht auch in gutem Kontakt nicht nur mit Hanns Heinz Ewers gestanden hat, sondern auch mit Friedrich Hielscher? Der ja auch viele nationalbolschewistische Tendenzen hatte? Und über den Ernst Jünger zu seiner oben zitierten Äußerung über Heimsoth gekommen sein könnte? Jedenfalls ist bis auf weiteres unbekannt, wie viele andere homosexuelle Nationalsozialisten oder Kommunisten Heimsoth astrologisch oder ariosophisch beraten hat auf der Linie seines Lehreres Friedrich Schwickert, der okkulte "Freunde in der ganzen Welt" hatte.

1930: "Zu dem Problem der Astrologie hat Adolf Hitler noch kein abschließendes Urteil sich bilden können."

Im August 1930 schreibt Josef Goebbels in sein Tagebuch (s. "Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente". Institut für Zeitgeschichte, K.G. Saur, 1987, S. 589; auch: "Tagebücher 1924 - 1945". 1930 - 1934. Piper, 1992, S. 505):
Spät noch zu Wieds. Ein Astrologe Pluto ist da. Lügt aus den Sternen genau das, was wir aus der Realität glauben voraussagen zu können. Anni ist sehr skeptisch. Ich bin sehr erstaunt. Um 3h heim.
Stephan Berndt sieht laut telefonischer Mitteilung vom 27.4.13, durch die wir auf dieses Zeugnis hingewiesen werden, einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß es sich bei dem Astrologen "Pluto" um Hanussen handelt. Hanussen war gerade um diese Zeit nach Berlin gekommen, um wenig später sehr berühmt zu werden. Einerseits spricht Goebbels von den "Lügen" des Astrologen, andererseits ist er weniger skeptisch als seine Frau, vielmehr: "erstaunt".

In einem Brief aus dem Oktober 1930 wird einmal wieder eine unentschiedene Haltung Hitlers zur Astrologie kundgegeben. Er ist in dem Buch "Briefe an Hitler" (2007) veröffentlicht (S. 66f):
Mit welchen Problemen sich die Hitler-Kanzlei jetzt auch auseinandersetzen mußte, zeigt die Antwort von Heß auf eine Frage von H. H. Raché aus Augsburg vom 28. Oktober 1930.
Sehr geehrter Herr Raché!
Der Brief vom 20. d. M. an Herrn Hitler ging ein.
Sie irren sich, wenn Sie glauben, dass Herr Hitler astrologisch beraten würde. Zu dem Problem der Astrologie hat er noch kein abschließendes Urteil sich bilden können. Es ist auch fraglich, ob dies überhaupt möglich ist.
Auf jeden Fall will Hitler die Astrologie nicht durch seine Bewegung und durch seine Blätter propagieren. Er vermeidet es grundsätzlich, Streitfragen von nicht ausschlaggebender Bedeutung für die Bewegung in diese hineinzutragen und dadurch unnötigerweise Gegensätze zu schaffen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
[ohne Unterschrift]
Das ist eine sehr typische und kennzeichnende Stellungnahme. Daß er auch andere weltanschauliche Streitfragen, wie etwa die Stellung zum Katholizismus oder zum Christentum allgemein "für die Bewegung" ungeklärt ließ, geht mit diesen Worten gut parallel. Ein klares Dementi, er würde sich beraten lassen, dem andere, in unserem Beitrag anzuführende Belege klar widersprechen. Zum anderen auch keine klare anti-okkultistische Stellungnahme. Und von Rudolf Heß wissen wir, daß er vielleicht kein "abschließendes Urteil" sich über die Astrologie gebildet hat, sich aber dennoch in geschichtsträchtigen Handlungen (Englandflug) von ihr hat leiten lassen.

"Man wußte ..."

Hier sei auch noch aufgezeichnet, daß in der "Geschichte der Astrologie" von 1988 von Wilhelm Knappich laut Google-Snippet-Ansicht steht:
Man wußte, daß Reichskanzler Hitler selbst und sein Stellvertreter R. Heß trotz der Hetze, die das Organ des "Schwarzen Korps" ...
Dem ist noch genauer nachzugehen.

Waren Hitlers astrologische und medizinische Berater Agenten der Sowjets?

Und in einem anderen Buch von Hans-Dietrich Röhrs ("Hitlers Krankheit" [1966], S. 60f) wird zunächst Hugh Trever-Roper zitiert:
"Morell (...) war ein Quacksalber. (...) Morells Gott war der Mammon. Wissenschaft oder Wahrheit waren ihm völlig gleichgültig. (...) Seine Stellung bei Hitler beruhte nicht auf seiner Geschicklichkeit, sondern auf seinen Schwächen. Hitler liebte Magie, wie er Astrologie und schlafwandlerische Sicherheit liebte!"
Vielleicht wollen diese Worte gerade in diesem Zusammenhang mit Morell noch mehr andeuten, als sie explizit sagen. Viele behaupten, Morell und Hitler hätten sich schon aus ihrer gemeinsamen Zeit im Thule-Orden gekannt. Womöglich ist also Morell nur als ein weiteres Steuerungsmittel Hitlers benutzt worden neben dessen Astrologen. Beide, der Leibarzt und die Astrologen vermittelten Hitler offenbar "schlafwandlerische Sicherheit". In dem Buch "Hitlers Krankheit" werden diese Worte von Trevor-Roper folgendermaßen kommentiert (Hervorhebung nicht im Original):
In der Hitler-Literatur finden wir immer wieder die Behauptung, daß er Magie und Astrologie zugetan gewesen sei. Ja, Dietrich v. Kuenheim macht sogar den beim Attentat am 20. Juli 1944 getöteten Stenographen Berger zu Hitlers geheimem astrologischen Berater.
Diese Behauptungen werden dann aber mit Hilfe von Angaben eines Professor v. Hasselbach und des noch weiter unten zu zitierenden Reichspressechefs Otto Dietrich als unrichtig hingestellt. Über den vormaligen Reichstagsstenographen Heinrich Berger sind Aussagen seiner Tochter und seines Sohnes erreichbar (Kirchenztg. 2009):
In die ­unmittelbare Nähe des "Führers" kam der damals 39-jährige Reichstagsstenograf mittels einer Zwangsverpflichtung. Weil Hitler seinen Generalen mißtraute, ließ er seit den ersten schweren Niederlagen im Rußlandfeldzug alle Lage- und sonstigen ­wichtigen Besprechungen aufzeichnen. 
Heinrich Berger soll laut seiner Kinder klar anti-nationalsozialistisch eingestellt gewesen sein, was zu einer solchen Agententätigkeit passen würde, die Historiker und Geheimdienstleute bei ihm ebenso wie bei Martin Bormann und Morell vermuten für die Zeit von 1941 bis 1945. Der anerkannte Geheimdienst-Historiker Gert Buchheit, während des Zweiten Weltkriegs Offizier im Kommandostab des Militärbefehlshabers in Frankreich, schrieb 1975 ("Spionage in zwei Weltkriegen - Schachspiel mit Menschen", Verlag Politisches Archiv, Google Bücher Ausschnitt, S. 245):
General Gehlen, der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes ist davon überzeugt,  daß Bormann Stalins Agent war. 
Und dann weiter (S. 249) (Hervorhebung nicht im Original):
... all" wird behauptet, Bormann sei nicht der einzige Agent Stalins innerhalb der NSDAP gewesen. Nicht nur in der Gestapo sei er wirkungsvoll unterstützt worden, womit auf den Chef der Gestapo Müller angespielt worden sein könnte, mit dem Bormann seit seiner Münchner Zeit befreundet war. Auch im Außenpolitischen Amt Rosenbergs habe er "Helfer" besessen, so u.a. den ehemaligen Methodistenprediger Dr. G. Leibbrandt, der im späteren Ostministerium Rosenbergs für die Verwaltung der besetzten Ostgebiete tätig gewesen ist. Es werden ferner als Mitarbeiter Bormanns in seiner Tätigkeit als Informant der Sowjets der astrologische Berater des Führers Berger und Hitlers Leibarzt Dr. Morell genannt. Mehr erfahren wir über Bormann selbst aus der Broschüre nicht.
(Laut Personenverzeichnis könnte an dieser Stelle der Stenograph Heinrich Berger mit dem SS-General Gottlob Berger verwechselt worden sein von Gert Buchheit. Das wird noch einmal nachzuschlagen sein.) Es wird gelegentlich behauptet, daß Theodor Morell ein Schüler von Karl Haushofer war, jedenfalls ein frühes Mitglied des Thule-Ordens. (So auch Dietrich Bronder, 1964, S. 241). Das würde die von fast allen Betrachtern und Miterlebenden als völlig irrational empfundene Wahl gerade dieses Theodor Morell als Leibarzt besser verständlich machen. Auch dieser Leibarzt scheint Hitler zumindest nicht von dessen Meinung abgebracht zu haben, daß er nicht viel Zeit zur Durchführung seiner Pläne hätte.

Ist das gehehetzte Handeln Hitlers bis 1939 und 1941 auch durch Einflüsse auf seine medizinischen Ansichten gefördert worden?
  
Hans-Dietrich Röhrs ("Hitlers Krankheit") schreibt (S. 73):
Der Chef-Psychiater im Nürnberger Prozeß, Dr. Douglas M. Kelley (...) hat über die Unterredungen berichtet, die er mit Göring kurz vor dessen Tode geführt hat. Er richtete dabei an Göring die Frage, warum Hitler wohl in Polen eingefallen sei. "Er hatte das Gefühl, daß er es tun müsse", antwortete Göring. "Er fürchtete immer, daß er bald sterben werde. Er dachte, er sei zum Retter Deutschlands bestimmt und müsse daher die Probleme lösen, die er in Angriff genommen hatte, ehe sein Magen ihn niederzwingen würde." Andere Gefangene bestätigten Dr. Kelley diese Ansicht. Er bemerkt weiter: "Wenn man Göring und den anderen Glauben schenken soll, so scheint Hitlers Magen eine phantastische Rolle in der Bestimmung des Schicksals Europas gespielt zu haben. Hitler glaubte, daß er Magenkrebs habe. Er begann die Tage zu zählen, die ihm noch verblieben. In diesem hypochondrischen Geisteszustand begann er ein richtiges Dauerwettrennen mit dem Tode, so daß er ständig gehetzt war."
Somit hätte Hitlers Denken in medizinischen Fragen womöglich die gleichen Folgen gehabt, wie sein Denken in astrologischen Fragen. Beides könnte ihm von seinen Beratern eingeflößt worden sein.

Und in einem anderen Buch (Siegfried Fritsch/Der Geist über Deutschland/1985):
Für Hitler und seine Partei werden mehrfach Horoskope gestellt. So von den bekannten Astrologen Erbertin, Hanussen, Huter, Krafft, Nagengast, Wulff. Lange vor 1933 bekommt er von einer französischen Schloßherrin ein Kartenspiel ...
Solche Buchstellen machen darauf aufmerksam, daß Stephan Berndt tatsächlich nur einige Themen angerissen hat, das Thema bei weitem nicht umfassend ausgeschöpft hätte. Was ist ist über Huter und Nagengast und die "französische Schloßherrin" "lange vor 1933" bekannt?

Dietrich Bronder schreibt im Kapitel "Okkulte Wurzeln" seines Buches "Bevor Hitler kam" (1964, S. 219) (Google Bücher Ausschnitt):
So waren Männer wie Hitler, Heß, Himmler und andere Nationalsozialisten mancher dunklen Kunst zugetan, wie wir von ihrer Umgebung inzwischen erfahren haben. Vor allem über die Astrologie ist manchmal Unausgegorenes in die Politik hineingewandert. (Und in der dazugehörigen Anmerkung weiter:) Für Hitler, seine Partei und Politik sind mehrfach Horoskope bestellt worden, so von dem bekannten Astrologen Heinrich Huter, von Wulff-Hamburg, Frau Nagengast-München, Reinhold Ebertin, dem Schweizer Karl Ernst Krafft und von dem (...) Juden Eric van Hanussen. Vgl. hierzu Frau W. Weckerlein "Hitlers Sterne logen nicht" (1949). Auch Mussolinie bediente sich des Rates seiner "Hofastrologen", Professor Mandolfi und des Mailänder Mathematikers Professor Riscoli.
Und über den Thule-Orden von 1919 (S. 236):
Innerhalb der Loge bestand als "esoterischer Kern" ein magischer Zirkel, in dem Geheimwissenschaften - an der Spitze Astrologie - getrieben wurden.

(Es folgen: 2. Teil, 3. Teil, 4. Teil, 5. Teil mit Anhang und Literaturverzeichnis.)

_______________________
  1. Hanfstaengl, Ernst: Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters. Piper Verlag, München 1970; Lizenzausgabe für: Deutscher Bücherbund, Stuttgart 1970 
  2. Klotz, Helmut: Der Fall Röhm. Im Selbstverlag des Herausgebers, Berlin-Tempelhof o.J. [März 1932] (pdf)

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