Montag, 25. Januar 2016

Sein Genom sequenzieren lassen für 130 Euro - eine gute Idee?

Eröterungen unter den Lesern dieses Blogs

Lange hat der Blog-Inhaber gewartet. Eigentlich viel zu lange. Aber vor zwei Tagen hat er endlich die Entscheidung getroffen und sich die Sequenzierung seines Genoms bestellt. Soweit übersehbar gibt es keine kostengünstigere Variante als die bei der Firma 23andme. Im Oktober kostete das Sequenzieren noch 200 Dollar, aktuell nur noch 100, so wie vor zwei Jahren schon einmal. Es kommen noch etwa 30 Euro Versand von den USA nach Europa dazu für das Spuck-Paket. Letzteres muss man zurück senden, also kommen dann womöglich noch einmal 30 Euro dazu (Aktualisierung, 18.2.16: nein, Rücksendung ist im Preis schon enthalten :) ). 

Es geht um die Gene dieses Menschen, Aufnahme 1966
Man hat lange gezögert. Aber es wird jetzt ein guter Zeitpunkt sein. Jedenfalls kann man schwer begeistert sein von den vielen Möglichkeiten, die die Sequenzierung des eigenen Genoms mit sich bringt. Man kann dann anhand seiner eigenen Gene die Fortschritte in der Forschung verfolgen und bei jeder neuen Forschungserkenntnis nachschauen, was das für die eigenen Gene bedeutet und damit für einen selbst und die nächsten genetischen Verwandten, die man hat, mit denen man bis zu der Hälfte seines Genoms teilt.

Es ist doch erstaunlich, dass die Nachricht, dass man das "Starterkit" bestellt hat, allerhand Reaktionen hervorgerufen hat. Diese sollen im folgenden einmal dokumentiert werden. Da der Blog-Inhaber ursprünglich falsch gesprochen hat von der "vollständigen Sequenzierung des eigenen Genoms" schrieb der Evolutionsbiologe Axel Meyer dazu ganz richtig als Kommentar:
23andme macht keine vollständige Sequenzierung, sondern screens 0,5 bis 1Mio SNPs. Trotzdem spannend und deren WWW-Seite ist sehr gut.
Das brachte einem das immer wieder lesenswerte Facebook-Profil von Axel Meyer in Erinnerung und man fand dort dann auch, was dann mit folgenden Worten auf dem eigenen Profil weiter geteilt wurde:
Sieh an, im Zweiten Deutschen Fernsehen wird alle Jubeljahre zur besten Sendezeit auch einmal etwas für "Die Andere Bildung" getan, die heutzutage ja viel eher die eigentliche Bildung ist, nämlich für die naturwissenschaftliche.
Und es wurde eine Gesprächsrunde bei Markus Lanz im ZDF vom 3. Dezember 2015 weiter geteilt, an der ab der 59. Sendeminute auch Axel Meyer sehr wertvoll zu Wort kam (ZDF Mediathek). Er ist dort über sein neues Buch über die Geschlechtsunterschiede zwischen Mann und Frau zu Wort gekommen, wozu von unserer Seite noch gesagt wurde:
Zum Thema Monogamie muss aber heute meines Erachtens immer hinzugefügt werden, dass seit Robin Dunbar bekannt ist, dass monogames Verhalten Intelligenz-Evolution gefördert hat.
Im Kommentar dazu schrieb Axel Meyer:
Lieber Herr Bading, ich erkläre, wie man 23andme- (personal genomics-)Ergebnisse interpretieren kann in meinem Buch,
wozu er dann den Amazon-Link gab. Da sollte man also auch einmal hineinschauen!

"Was versprichst Du Dir denn konkret davon, wenn Du Deine Gensequenz in Händen halten wirst?"

Die Nachricht wurde auch per Email herumgeschickt und hat doch interessierte Rückmeldungen aus dem Freundes-und Bekanntenkreis hervor gerufen (im folgenden Blau gefärbt). So wurde geschrieben:
Hallo Ingo, entscheidend ist aber doch, welche Gene angeschaltet werden und welche nicht. Alleine aus dem Vorhandensein kannst Du doch noch nicht ablesen, ob Du die oder jene Krankheit bekommen wirst. Kennst Du das Buch von Bruce Lipton: "Intelligente Zellen"? Er berichtet darin von den Forschungen über die Zellmembran: Deren Rolle ist wichtiger als die Gene selbst. (...) Was versprichst Du Dir denn konkret davon, wenn Du Deine Gensequenz in Händen halten wirst?
Antwort des Blog-Inhabers darauf (wobei zu bemerken ist, wie unten auch noch einmal gesagt wird, dass anstelle von "Genen" eigentlich genauer zu sagen wäre jeweils: "Steuerungssequenzen von Genen"):
Liebe ..., die Gene sind die Grundlage. Natürlich können sie unterschiedlich abgelesen werden. Aber auch das kann ich ja erst erforschen, wenn ich mich mit den Genen selbst ausreichend auskenne. Es gibt zum Beispiel Menschen, die haben Gene, aufgrund deren sie mit bestimmten Traumata besser umgehen können als andere Menschen, die von den selben Traumata einfach weniger betroffen sind. Aber das wird ja auch erst sichtbar, wenn Menschen solche Traumata erleben, die dazu führen, dass Gene neu, bzw. anders abgelesen werden als zuvor. Weiß ich aber, dass ich dieses oder jenes Gen habe, weiß ich wieder etwas mehr über mich selbst. Dann gehe ich vielleicht auch anders mit mir um. Oder mit meinen Kindern. Oder Eltern. Oder Geschwistern. (Denn die haben ja mit 50%iger Wahrscheinlichkeit dieselben Gene.)
Die Kenntnis meiner Gene kann einfach immer neu abgeglichen werden mit dem, was die Forschung heute schon über speziell diese Gene weiß. Und in jedem Monat kommt neues Wissen hinzu, das dann sofort erneut abgeglichen werden kann. Die Forschung weiß meistens zunächst nur Durchschnitts-Wahrscheinlichkeiten, die der Besitz eines Gens zur Folge hat. Wenn ich diese weiß, erst dann kann ich ja weiterfragen, ob dieses Ablesen der Gene vorteilhafter für mich ist oder jenes, bzw. ob überhaupt ein anderes Ablesen der Gene möglich ist, bzw. unter welchen Umständen.
Für all diese Fragen ist immer erst einmal die Kenntnis meiner Gene selbst die Grundlage. Wenn man sich mit diesen Fragen aufgrund seiner EIGENEN Gene beschäftigt (sich selbst und seine nahen Verwandten kennt man ja am besten), lernt man am besten den Umgang mit all den neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft. Es ist das naturwissenschaftliche Volksbildung im wahrsten Sinne des Wortes. In zehn Jahren, sagte Axel Meyer im Dezember bei Markus Lanz, werden wir wahrscheinlich alle unser sequenziertes Genom auf der Krankenkassen-Karte haben, weil das Wissen darauf eben so viel Bedeutung für die unterschiedlichsten Bereiche hat. Wie sollte ich mich ernähren? Wie verstoffwechsele ich Medikamente? Wie reagiere ich auf bestimmte Behandlungsarten? 
Außerdem kann ich mit der Sequenzierung Ahnenforschung, Familienforschung betreiben.
Zum Beispiel kann es sein, dass es in der Familie eine Schilddrüsenmangel-Erkrankung gibt, was erst im 6. Lebensjahr, wenn ein Kind in der Schule immer müde ist, festgestellt wird. Wovon man aber, wenn man es dann weiß, oft auch weiß, dass man es schon viel früher hätte feststellen können. Denn diese Müdigkeit kann ja schon früher bei diesem Kind zu beobachten gewesen sein. Und die Eltern hätten dann vielleicht verständnisvoller auf diese Müdigkeit reagiert, wenn sie von den Ursachen gewusst hätten.
Wie einfach wäre es nun gewesen, wenn die Gene des Kindes gleich bei Geburt abgelesen worden wären und es wäre dort gleich festgestellt worden, dass diese Erkrankung vorliegt.
Überhaupt ist eigentlich immer schon von Anthropologen vor der Eheschließung eine erbgesundheitliche Beratung empfohlen und angeboten worden. Genau das ist mit dieser Sequenzierung besser und effektiver möglich als jemals zuvor. Und man kann sich gleich selbst beraten, da man ja den Bericht von der Firma erhält. Man kann seinen Datensatz auch auf verschiedenen Internetseiten hochladen und ihn dort mit anderen Menschen, die ihren Datensatz hochgeladen haben, vergleichen.
Zum Beispiel OpenSNP oder SNPedia.
Und man kann mit Menschen, die die gleichen Gene haben, diskutieren und sehen, ob man ähnliche oder andere Probleme hat aufgrund genau dieser Gene. Solche Diskussionen können dazu führen, dass man die Forschung auf völlig neue Wege bringen kann, indem man dieser neue Fragerichtungen geben kann aufgrund der eigenen Erfahrungen und der anderer, die ähnliche Erfahrungen haben.
Ich als Asthmatiker werde vielleicht lernen, ob ich eine genetische Neigung dazu habe, Asthma zu bekommen. Oder ob es die Tatsache war, dass meine Mutter während der Schwagerschaft in einem verqualmten Büro gearbeitet hat (was zur Veränderung der Genablesung geführt haben kann - aber der Ablesung welcher Gene?) usw.
Die Fülle dessen, was man mit diesem Wissen anfangen kann, werde ich Dir selbst erst sagen können, wenn ich in wenigen Monaten anfange, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Es gibt aber schon einige deutschsprachige Bücher, wo Menschen darüber geschrieben haben, welche Bedeutung die Ergebnisse für speziell sie selbst hatten. Sehr eindeutig kann oft ein bestimmtes Brustkrebsrisiko insbesondere bei aschkenasischen Juden festgelegt werden, aufgrund dessen es dann klug ist, sich besonders zu überlegen und besonders aufzupassen. All solche Fragen halt.
Das ist ja eben - da wir alle genetisch einzigartig sind - für jeden einzelnen wieder eine etwas andere Fragestellung. Aber da wir eben auch Gene mit anderen gemeinsam haben, werden wir durch Vergleich auch unsere Gemeinsamkeiten erkennen!
Unsere Gene sind der größte Schatz, den wir überhaupt mitbekommen haben. Neben unserer Kultur. Wir sollten diesen Schatz hüten. Und hüten können wir ihn am besten, um so besser wir ihn kennen. 
Naturwissenschaftliche Volksbildung im besten Sinne möglich

Ein Biologe schrieb zu diesen meinen Ausführungen dann ganz richtig:
Wir haben alle die gleichen Gene, aber unterschiedliche Allele (Genvarianten). Gene werden normalerweise auch irgendwann, irgendwo oder oft sogar konstitutiv abgelesen (exprimiert). Deswegen sind die Varianten von Belang. Genvarianten, deren zeitlich-räumliche Expressionsmuster und die entsprechende Steuerung sind ein sich überschneidendes und komplexes Thema.
Wohl wahr! Komplex. Und deshalb auch so spannend! Antwort der ersten Fragestellerin:
Lieber Ingo, das klingt alles sehr interessant, vor allem, wenn Du dann Deine Gene mit denen der Verwandtschaft und mit anderen Menschen mit demselben Krankheitsbild vergleichen kannst.
Ein weiterer Biologe schrieb:
Lieber Ingo, danke für den Vorschlag. Im Augenblick bin ich aber leider mit anderen Dingen beschäftigt und nur so nebenbei 130 € auszugeben, ist doch ein wenig viel. Es widerstrebt mir auch ein wenig, ausgerechnet einer amerikanischen Firma mein komplettes Erbgut zur Verfügung zu stellen. Unabhängig davon ist eine solche Analyse natürlich hochspannend.
Darauf die Antwort des Blog-Inhabers:
Es gibt offensichtlich keine andere Firma. Ich habe gesucht. Aber es gibt keine. Hat mir quasi auch Axel Meyer auf Facebook bestätigt. In seinem neuen Buch, sagt er, schreibt er auch, wie man diese 23andme-Daten auswerten kann. Er findet die Internetseite dieser Firma sehr gut, wie er schreibt. Das nur noch mal zur Info. Ich denke, das wird künftig noch preislich günstiger werden und es werden auch deutsche Firmen machen. Ich mache es jetzt, weil es bis dahin über 200 Euro gekostet hat und es viel Fluktuation gibt und weil man es jetzt aktuell noch mal ein wenig beschleunigen kann, wenn man mitmacht und darüber redet. Wie gesagt, eine andere Firma als 23andme gibt es nicht. Die isländische Firma DeCodeMe ist ja kaputt gemacht worden wirtschaftlich. Wobei man ein wenig das Gefühl hat, dass das bewusst gemacht worden ist. Was dann auch einmal erneut zeigen könnte, wie brisant das Thema ist. DeCodeMe hat mir viel besser gefallen, der Leiter war super. Aber auch diese Firma war - damals zumindest und meiner Erinnerung nach - teurer.
Und ein weiterer Biologe schrieb:
Hallo lieber Ingo, bekommst Du tatsächlich die gesamte Basensequenz Deines persönlichen Genoms!? …es wundert mich, dass das schon so günstig ist :-? Ist es denn mittlerweile auch möglich, andere Lebewesen so kostengünstig zu sequenzieren?
Da solche Rückmeldungen sogar von Biologen und naturwissenschaftlich Informierten kommen, zeigen sie doch, dass die Wissenschafts-Berichterstattung bislang noch nicht ihrer Aufgabe ausreichend nachgekommen ist. Offenbar. Antwort des Blog-Inhabers:
Also "vollständig" wie ich ursprünglich schrieb, nicht (das hatte Axel Meyer an meinen Worten zu kritisieren). Aber schon so, dass man vieles vergleichen kann mit anderen Menschen. Es gibt ja diverse Datenbanken, wo man das hochladen kann und wo man dann vergleichen kann und sich austauschen kann mit anderen. Auf den Seiten passiert viel, eine deutsche Seite boomt gerade und die bekommen Forschung jetzt auch finanziert: opensnp.org. Das ging auch durch die Presse. Das waren anfangs nur zwei deutsche Biostudenten wie Du und ich, ich habe die Anfänge miterlebt, weil die darüber auf den Wissenschaftsblogs berichteten. Und die sind schon jetzt dick im Geschäft drin. Dieser Vergleich und dieser Austausch, der da geboten wird, die halte ich alle für sehr wichtig. Ich komme mit manchen arbeitslosen Biologen ins Gespräch und ich sage allen: behaltet dieses Gebiet im Auge, denn hier besteht bald massenhafter Beratungsbedarf, den man als Biologe noch am ehesten decken kann. 
Andere Lebewesen, klar. Ich habe deutsche Firmen gefunden, die bieten Gensequenzierung für alles an, mit umfangreichen Rabatten. Aber nicht für Endverbraucher, wie mir schien, sondern derzeit noch nur für Forscher und Institute.
Antwort:
Hallo lieber Ingo, danke für die Klärung. Ich sehe es ähnlich: Eine solche Analyse ist natürlich hochspannend. Aber es widerstrebt mir sehr, ausgerechnet einer amerikanischen Firma mein komplettes Erbgut zur Verfügung zu stellen.
Antwort:
Dass es eine amerikanische Firma ist, wird nicht so entscheidend sein. Auch die muss Qualitätsstandards einhalten. Und da es sowieso am Sinnvollsten ist, wenn man seine Daten mit anderen austauscht, werde ich sie eh öffentlich machen. Vor allem erst mal bei OpenSNP. Und dann ist es egal, wer sie sequenziert hat.
So einmal der Stand der Diskussion in einem engeren Bekanntenkreis. Und die Rückmeldungen zeigen doch, dass darüber bislang viel zu wenig in der Öffentlichkeit gesprochen worden ist.

3 Kommentare:

Bert hat gesagt…

Hallo Ingo,

das ist ja eine tolle Anregung, natürlich mache ich bei Open.SNP mit,
bloß ich finde leider die Seite nicht!
Da ich eine Angsterkrankung habe, die auch in der Familie manifest ist,
über 3 Generationen,
bin ich auch ganz persönlich daran interessiert ein bisschen zu forschen.

Vielen Dank für die wertvolle Anregung,

Bert, Kloster lehnin

Ingo Bading hat gesagt…

https://opensnp.org/

Man kann sich auch schon registrieren und seine Eigenschaften eingeben, ohne die Sequenz zu haben.

Ingo Bading hat gesagt…

Hier ist ein neuer Artikel welche Wirkung bestimmte gängige Asthma-Arzneimittel haben je nach den angeborenen Anlagen: "Pharmacodynamic genome-wide association study identifies
new responsive loci for glucocorticoid intervention in asthma".

Ein Ergebnis ist, dass es bei den verantwortlichen, gefundenen Gensequenzen einen "Wildtyp" gibt und eine "jüngere" Mutante. Und dass zumeist eher das Vorliegen der Mutante die Wirkung der Arzneimittel vergrößert: "In sum, the mutant allele produces a pronounced increase in lung function after glucocorticoid treatment as compared with the wild-type allele for all SNPs, except for chr6 rs6924808."

Das nur als Beispiel. Wenn ich meine Sequenz habe, kann ich also mal gucken: Bin ich homo- oder heterozygot für den jeweiligen Wildtyp oder die Mutante. Und vielleicht kann ich meiner Lungenärztin auch Argumente dafür liefern, dass es sinnvoll sein könnte, das Medikament zu ÄNDERN!!! :)

(Und vielleicht sollte ich dann doch umsatteln zu Pharmareferent :) )

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