Montag, 24. Oktober 2016

Die deutschen Klassiker - vollzählig und kostenlos auf "Google Play Bücher"

Die größte Klassiker-Bibliothek, die jemals auf einen kleinen Nachttisch passte

Der folgende Blogartikel hat eine Ergänzung gefunden in einem zweiten, siehe: "Friedrich Hölderlin - In Originalausgaben der Jahre 1842 und 1846".
Auf einem Tablet kann man unter der "App" "Google Play Bücher" heute viele deutsche Klassiker-Ausgaben lesen, eine große Zahl von ihnen kostenlos und in jedem Fall unglaublich praktisch. Dies gilt vor allem auch für Klassiker-Ausgaben, für die man sehr ausgewählte Bibliotheken aufsuchen müsste, um sie im Original lesen zu können, und die, wenn sie überhaupt nachgedruckt worden sind, sicher im Buchhandel nur für einen sehr teuren Preis zu erwerben wären. Außerdem zerfällt das Papier dieser Originalausgaben, so dass es sowieso nicht gut ist, wenn diese von zu vielen Menschen in die Hand genommen werden. Das i-Tüpfelchen dabei ist: Man kann sie auch noch in der schönen Frakturschrift der Originalausgaben lesen. Alles Umstände genug, die zeigen, dass das Wissen um sie wert wäre, weitere Verbreitung zu finden als bislang geschehen ....

Abb. 1: Ein Tablet ersetzt Bücher überraschend gut
Die Ausgaben vieler deutscher klassischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. In den Auflagen der damaligen Zeit. Und natürlich nicht nur die deutsche Literatur, sondern die Weltliteratur insgesamt. Um einige erste Beispiele zu geben: Die Hölderlin-Gesamtausgabe von Christoph Theodor Schwab aus dem Jahr 1846 - wer hatte diese schon jemals in der Hand? Und jetzt ist sie nur wenige Tabletklicks entfernt! Jeder, der sich mit Hölderlin schon einmal etwas gründlicher beschäftigt hat, weiß, welche Bedeutung diese frühe Gesamtausgabe drei Jahre nach dem Tod Hölderlins hatte. Und sie liest sich so frisch. Auf Abb. 1 eine Seite der Dichtung "Tod des Empedokles" aus dieser Ausgabe. Man sieht: sehr lesenswert! Auch leicht zu lesen. Auch die Briefe von Susette Gontard an Hölderlin finden sich in einer kostenlosen Ausgabe.

Beispiel: Peter Rosegger


Sodann Bücher von Peter Rosegger (1843-1918) (Wiki). Etwa das erste - schöne - Kapitel seines Buches "Wanderleben" (1), ein Buch, das noch nicht einmal ein mit Rosegger schon vertrauter Leser in jedem Fall kennen muss. Rosegger hat 1870 mit 27 Jahren, drei Jahre vor seiner ersten Ehe, eine Reise über Prag, Berlin, Stettin, Swinemünde und Usedom nach Rügen gemacht, um dort einen Gedenkstein für Ernst Moritz Arndt zu besuchen. Nachts fuhr er auf der Postkutsche von Swinemünde über Usedom nach Anklam und in seiner Postkutsche saß - eine tote Frau. Seine Förderer haben ihm diese Reise bezahlt. Von Rügen fuhr er weiter nach Hamburg und Amsterdam - weil er Deutschland und ein wenig von der Welt kennen lernen wollte. Und er erzählt sehr anmutige Geschichten von dieser Reise. Damals stand noch der Riss des Jahres 1866 zwischen Österreich und Preußen und Rosegger litt sehr unter diesem.

Oder auch "Die Schriften des Waldschulmeisters". Dieser Roman entfaltet das Panorama eines Lebens. Ein ganz großer Roman. Es war dies, so stellt man zu seinem Erstaunen fest, der erste große Roman von Peter Rosegger überhaupt. Er erschien 1875, im selben Jahr, in dem seine erste Frau - noch in jungen Jahren - nach der Geburt des zweiten Kindes starb. Dieser Roman hat soviel Reife, ja, soviel Altersweisheit, dass man ihn kaum für das Erstlingswerk eines noch jungen Schriftstellers halten kann.

Er entrollt das ganz zurückgezogene Leben eines einst jungen Mannes aus armen Verhältnissen, dessen Eltern früh starben, und dem das Bestehen seiner Examensprüfung um einer zu großen Freimütigkeit willen versagt wird, wodurch er an hochfliegenderen beruflichen Zielen zu zweifeln beginnt, in die Armee Napoleons eintritt und in der Schlacht bei Leipzig seinen Herzensfreund tötet, der auf der anderen Seite kämpft und in seinen Armen verblutet. Völlig gebrochen und beraubt aller jugendlicher Illusionen ergreift er das Angebot eines ihm wohlgesinnten adligen Förderers und wird Schulmeister in einer wilden, entlegenen, völlig zurückgebliebenen Gegend in den Alpen.

Von seinem Jahrzehnte langen, im Grunde einsamen Wirken dort handelt der Roman. Es ist ein Wirken voller Armut und Entsagung, Verzicht auf Glück und Familienleben. Das Alter kommt - und seine Jugendliebe kommt auf Besuch mit ihren Kindern in die entlegenen Wälder. An diesem Punkt, fast ganz gegen Ende wächst der Roman zu seiner ganzen Größe und Herbheit auf. Und man legt das Buch mehrmals erschüttert beiseite.

Wie konnte Rosegger schon in so jungen Jahren sich in das Schicksal eines alternden Menschenlebens hinein versetzen, dem zeitlebens die Erfüllung der höchsten Ziele und Wünsche eines - dem Geistigen hingekehrten - Lebens versagt geblieben sind?

Mancher Leser mag sich in diesem Roman wiederfinden. Ist nicht so manches Menschenleben das Leben eines solchen Waldschullehrers? An diesem Roman ist nichts Romantisches, nichts Süssliches. Es ist alles wahr und echt und erlebt. Rosegger ist wirklich ein großer Schriftsteller. Der Roman kann auf Google Play Bücher kostenlos in einer frühen Auflage gelesen werden.

Andere Beispiele: Ranke, Heinse, Schumann ...


Friedrich Schiller: viele Gesamt- und Einzelausgaben finden sich. Leopold von Ranke, Theodor Fontane. Was das Herz begehrt. Oft, so muss aber auch gesagt werden, sind nur die seltener aufgelegten (Früh-)Werke kostenlos aufrufbar, aber vielleicht auch gerade deshalb oft Werke, die man noch gar nicht so gut kennt. Als weitere "Anbeißer" können genannt werden: Wilhelm Heinse, Martin Luther, Robert Schumann. Auch die wertvollen "Briefe der Diotima", also von Susette Gontard an Friedrich Hölderlin, die erst im Jahr 1920 erstmals veröffentlicht worden sind, finden sich. Über Suchworte wie etwa "Memoiren", "Erinnerungen" findet man noch viel weiteres Lesenswertes.

Jedenfalls genügen schon diese wenigen Stichproben, um einem klar zu machen, dass hier eine völlig neue Lese- und Suchwelt eröffnet ist. Es ist wie mit dem derzeit schon so reichhaltigen Angebot klassischer Musik auf Youtube, das ganze Musikbibliotheken ersetzt. Noch 2013 hieß es in einem Artikel über "Google Play Books" (bei "Androit User"):
Auf den ersten Blick scheint es nur wenige kostenlose Bücher zu geben. Eine Handvoll Klassiker sind gratis zu haben.
Abb. 2: Lesen in Dresden, September 1945
Fotograf: Richard Peter, sen. (Deutsche Fotothek)
Das war also 2013, von einer Handvoll kann heute jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Was damals weiter geschrieben wurde, gilt aber auch heute noch:
... Es gibt aber in der App keine Kategorie, die auf die Gratis-Bücher verweist. Doch gibt man als Suchbegriff "Kostenlose Bücher" ein, erhält man eine umfangreiche Liste. Anders ist es, wenn der Google Playstore über einen Browser besucht wird. Dann finden sich alle Titel unter einer eigenen Rubrik wieder. Englisch- und deutschsprachige Titel sind bunt gemischt. Auch "Don Quichote" auf spanisch gibt es. Die meisten Titel sind dabei eingescannte Versionen von frei verfügbaren Werken. Oft sind jedoch auch Originalscan und Textversion vorhanden, wie beispielsweise bei den Nibelungen. Interessant ist es sicher, einen Blick auf Grimm´s Kinder- und Hausmärchen zu werfen.
Kein Wunder jedenfalls, dass einem bei solchen Möglichkeiten derzeit auf Google Play Bücher zuerst nur zum größten Teil die seichteste Literatur bis hin zu Schundliteratur angeboten wird. Aber gräbt man nur ein wenig tiefer - ist man sofort reich beschenkt. Und sicher gibt es bald auch weitere Apps, auf denen man auch noch andere schöne Literatur wird finden können, auch des 20. Jahrhunderts, die man jetzt noch nicht auf Google Play Bücher findet. Vielleicht gibt es sie schon, nur der Autor dieser Zeilen weiß noch nichts davon.

Alles Gute muss sich heutzutage "einschleichen" in das Volk. Wehende Fahnen werden ihm in den "Qualitätsmedien" nicht voran getragen.

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Anmerkung: Die Bezeichnung "Tablet" wird - nicht besonders gelungen - eingedeutscht mit "Flachrechner" (s. Wiki.) Wir brauchen wohl einen neuen Friedrich Ludwig Jahn, der uns die vielen neuen Fremdwörter gelungener eindeutscht. Für so eine schöne Erfindung muss sich doch ein schönes deutsches Wort finden lassen!

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  1. Rosseger, P. K.: Wanderleben. Skizzen. Verlag von Gustav Heckenast, Pest 1871
  2. Die Briefe der Diotima. Hrsg. von Karl Viëtor. Insel-Verlag, Leipzig o.J. [1921] (vollständig einsehbar auf Google Bücher und Google Play Bücher)

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